564 Völkerrechtliche "Lehre
zuwenden; nur bei Unternehmungen gegen fremde Zollgesetze
behält sich der Staat freie Hand vor, je nach der Beschwerlich-
keit und Schädlichkeit der an sich nöthigen Maassregeln. Die
Strafen werden entweder durch die eigenen Gerichte des Staates
und nach seinen Gesetzen zugefügt, oder durch Auslieferung des
Verbrechers an den verletzten Staat möglich gemacht. Ersteres
findet stali bei denjenigen Rechtsstörungen, welche von den
Angehörigen des mitwirkenden Staates begangen worden sind.
Ausgeliefert dagegen werden Angehörige des verletzten Staates
und Solche, welche beiden Staaten fremd sind; beide jedoch nur
dann, wenn sie der Verletzung von Rechten Einzelner beschuldigt
sind, wogegen flüchtige politische Verbrecher, welche dem Staate
ihres jetzigen Aufenthaltes fremd sind, von letzterem weder be-
straft noch ausgeliefert werden. Ihre Duldung oder einfache
Wegweisung ist lediglich Sache der Gesetzgebung und Politik
des einzelnen um Aufenthalt angegangenen Staates; denn der
Staat hat nur ein Recht, nicht aber eine Pflicht zur Aufnahme
Fremder; die Geduldeten unterliegen jeden Falles den nöthigen
Vorbeugungsmaassregeln gegen Wiederholung ihrer Unterneh-
mungen.
Als ein wichtiger Anhang ist aber schliesslich noch die
Frage über Gegenseitigkeit des Verfahrens zu erörtern.
Die im Vorstehenden dargelegten Grundsätze sowohl über
Verhinderung und Bestrafung im Allgemeinen als über die Auf-
nahme Flüchtiger im Besonderen fliessen aus der Natur der
Sache, d. h. aus der wesentlichen Aufgabe des Staates und aus
überall gültigen Zweckmässigkeitsgründen. Jeder Staat ist daher
nicht nur berechligt, dieselben als Regeln seines eigenen Ver-
haltens aufzusiellen und zu befolgen; sondern er kann auch
verständiger- und billigerweise an andere Staaten das Verlangen
stellen, dass dieselben in ihrem Verhältnisse zu ihm das gleiche
Verfahren einhalten. Leicht wird daher auch, bei der innern
Richtigkeit der Sache, eine Gewohnheit oder gar ein förmlicher
Vertrag auf dieser Grundlage zwischen bestimmten Staaten zu
Stande gebracht werden können. — Allein es ist allerdings mög-
lich, dass irgend eine fremde Regierung diese Ansicht von Recht
und Pflicht nicht tkeilt, und ihrer abweichenden Auffassung. im