Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

über Armenpflege und Heimathsrecht. 63 
Ursachen des Mangels an Vorsorge für die Wechselfälle des Le- 
bens klar hervor, dass von einer lediglich freiwilligen Entwick- 
lung die Verstopfung der Qucllen der Noth nicht erwartet werden 
kann. Wir fanden diese ebensowohl in sittlicher Schwäche als 
in den Lohnverhällnissen. 
Der in England bereits so mächtig entwickelte Associations- 
geist regt sich bei uns kaum in den ersten Keimen; auf dem 
platten Lande fehlt bis jetzt fast jede Empfänglichkeit und jeder 
Anknüpfungspunkt für freiwillige Vereine. Mangel an Voraus- 
sicht, Sorglosigkeit und Unfähigkeit den Anlrieben des augen- 
blicklich sich geltend machenden Begehrens zu widerstehen , ist 
für die bei weitem überwiegende Mehrzahl der arbeitenden Be- 
völkerung ein charakteristischer Zug. 
Ebenso würden die Lohnverhältnisse der allgemeinen Ver- 
breitung und Betheiligung an solchen Anstalten bei unbeschränkter 
Freiheit des Einzelnen in dieser Beziehung unüberwindliche 
Schwierigkeiten entgegenstellen. 
Die anfänglich unfehlbar nur geringe Theilnahme würde 
diese um so kostbarer und unsicherer machen. Bei einem ver- 
einzelten Beitritt der Arbeiter könnte von der Errichtung und 
Verbreitung solcher Anstalten ein Einfluss auf die Erhöhung der 
Löhne nicht erwartet werden. Gerade dieses Ziel muss aber 
fest im Auge behalten und mit Entschiedenheit verfolgt werden. 
Endlich kann die Mitwirkung der Arbeitgeber und der Gemeinde- 
dass dieses Beispiel allgemeine Nachfrage hervorrufen werde. Die Fälle, 
dass Fabrikherren die eingerichteten Krankenkassen wieder eingehen liessen, 
weil sie die nöthigen Zuschüsse nicht leisten wollten, sind nicht selten. In 
andern Fällen wurden sie durch Verdriesslichkeiten mit den Arbeitern dazu 
bestimmt. Entlassene Arbeiter forderten die ihnen gemachten Lohnabzüge 
zurück; alle wünschten eine Theilnahme an der Verwaltung der Kasse etc. 
Und gewiss hiesse es die Rechte der Arbeiter beeinträchtigen, wenn den 
Lohnherren gestattet sein sollte nach ihrem Ermessen Lohnabzüge zur Doti- 
rung einer Krankenkasse zu machen, und über die Mittel derselben nach 
eigenem Gutdünken und ohne Kontrole zu verfügen, weil sie auch Zuschüsse 
zur Untetrhalung derselben leisten. Genug: Unterstützungskassen, welche 
nur ein Zubehör eines einzelnen Fabriketablissements sind, können nicht 
zu dem Ziele führen, dem Arbeiter zu wahrer Selbsiständigkeit zu ver- 
helfen,
	        
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