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hafter, wiederholter Beifall.) Wie vor einer Zaubergewalt sind die
Schranken gefallen, die eine öde und dumpfe Zeit lang die Glieder des
Volkes trennten, die wir gegeneinander aufgerichtet hatten in Mißwer-
stand, in Mißgunst und in Mißtrauen. Eine Befreiung und eine Be-
glückung ist es, daß nun einmal dieser ganze Wust und Unrat weggefegt
ist (Lebhaftes Bravol), daß nur noch der Mann gilt, einer gleich dem
andern die Hand reichend für ein einiges, heiliges Ziel. (Stürmisches
Bravol) Ich wiederhole noch einmal das Wort, das beim Ausbruch des
Krieges der Kaiser gesprochen hat: Ich kenne keine Parteien mehr, ich
kenne nur noch Deutsche. Wenn der Krieg vorüber ist, werden die Par-
teien wiederkehren. Denn ohne Parteien, ohne politischen Kampf kein
politisches Leben, auch für das freieste und einigste Volk. (Sehr richtig!)
Aber kämpfen wollen wir dafür — und ich an meinem Teile verspreche
es Ihnen — kämpfen wollen wir dafür, daß es in diesem Kampfe nur
mehr Deutsche geben darf. (Lebhaftes Bravol)
Meine Herren, ich schließe meine Ausführungen. Es ist nicht die
Zeit für Worte. Nicht über alle Fragen, die das Volk und die auch mich
im Tiefsten bewegen, kann ich sprechen. Nur noch eins! In Treue und
mit heißem Danke gedenken wir der Söhne Deutschlands, die auf den
Schlachtfeldern in Ost und West, auf hoher See, an den Gestaden des
stillen Ozeans und in unseren Kolonien für die Ehre des Vaterlandes
ihr Leben gelassen haben. (Der Reichstag erhebt sich.) Vor ihrem jetzt
verstummten Heldenmute einigen wir uns in dem Gelöbnis, auszuharren
bis zum letzten Hauche, damit Kinder und Enkel in einem stärkeren
Deutschland frei und gesichert gegen fremde Drohung und Gewalt an der
Größe des Reiches weiter bauen können, und dieses Gelöbnis soll hinaus-
schallen zu unseren Söhnen und Brüdern, die weiter kämpfen gegen den
Feind, zu dem Herzblut Deutschlands, das in zahl- und namenlosem
Heldentum aufwallt, für das wir bereit sind, alles herzugeben, was wir
haben, hinausschallen auch zu unseren Landsleuten im Ausland, den
draußen für uns Sorgenden, den von der Heimfahrt Abgeschnittenen und
Gefährdeten, den widerrechtlich Gefangenen und Mißhandelten.
Wir halten durch, meine Herren! Und ich bitte Sie, durch die An-
nahme unserer Vorlagen es zu bekräftigen: wir halten durch, bis wir
Sicherheit haben, daß keiner mehr wagen wird, unseren Frieden zu
stören — einen Frieden, in dem wir deutsches Wesen und deutsche Kraft
entfalten und entwickeln wollen — als freies Volk! (Stürmisches, lang-
anhaltendes Bravo und Händeklatschen auf allen Seiten des Hauses und
auf den Tribünen.)
Abg. Haase-Königsberg (Soz.): Im Anschluß an die Ausfüh-
rungen des Herrn Reichskanzlers über Belgien will ich namens meiner
Fraktion feststellen, daß die nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen
nach unserer Ueberzeugung nicht ausreichen, um von unserem Standpunkt
am 4. August abzugehen. Die sozialdemokratische Fraktion steht auch
heute noch auf dem Standpunkt ihrer Erklärung vom 4. August über
den Krieg, dessen tiefere Ursache ökonomische Gegensätze bilden. Noch
sind die Grenzen unseres Landes von feindlichen Truppen bedroht. Daher
muß das deutsche Volk auch heute noch seine ganze Kraft für den Schutz
des Landes einsetzen. Die Sozialdemokratie billigt deshalb die gefor-
derten neuen Kredite. In dankbarer Erinnerung gedenken wir aller