Full text: der Weltkrieg 1914. Band 2. (1)

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England selbst verzichtete nunmehr darauf, seine Konferenzidee 
weiter zu verfolgen, und unterstützte auch seinerseits den Gedanken der 
direkten Verhandlungen zwischen Wien und Petersburg (Blaubuch 67). 
Diese begegneten jedoch Schwierigkeiten, und zwar Schwierigkeiten, 
die nicht von Deutschland und Oesterreich-Ungarn, 
sondern von den Entente-Mächten 
herbeigeführt wurden. Sollte Deutschlands Bemühen gelingen, so be- 
durfte es des guten Willens der nicht unmittelbar engagierten Mächte, 
es bedurfte aber auch des Stillhaltens der Hauptbeteiligten, denn wenn 
eine der beiden Mächte, zwischen denen vermittelt werden sollte, die im 
Gange befindliche Aktion durch militärische Maßnahmen störte, so war 
von vornherein klar, daß diese Aktion nie zum Ziele gelangen konnte. 
Wie stand es nun mit dem guten Willen der Mächte? 
Wie Frankreich sich verhielt, ergibt sich mit Deutlichkeit aus dem 
französischen Gelbbuche. Es traute den deutschen Versicherungen nicht. 
Alle Schritte des deutschen Botschafters, Freiherrn v. Schoen, wurden 
mit Mißtrauen ausgenommen, sein Wunsch auf mäßigende Einwirkung 
Frankreichs in Petersburg wurde nicht beachtet, denn man glaubte an- 
nehmen zu sollen, daß die Schritte Herrn v. Schoens nur dazu bestimmt 
waren, va compromettre la France au regard de la Russie Aus dem 
französischen Gelbbuch ergibt sich, daß 
Frankreich keinen einzigen pofitiven Schritt im Interesse 
des Friedens 
getan hat. 
Was für eine Haltung hat England angenommen? In den diplo- 
matischen Gesprächen gab es sich den Anschein, bis zur letzten Stunde zu 
vermitteln, aber seine äußeren Handlungen hatten es auf eine Demü- 
tigung der beiden Dreibundmächte abgesehen. England war die erste 
Großmacht, die militärische Maßnahmen in großem Stile anordnete und 
dadurch eine Stimmung insbesondere bei Rußland und Frankreich schuf, 
die allen Vermittlungsaktionen im höchsten Grade abträglich war. Es 
ergibt sich aus dem Bericht des französischen Geschäftsträgers in London 
vom 27. Juli (Gelbbuch Nr. 66), daß schon am 24. Juli der Befehlshaber 
der englischen Flotte diskret seine Maßnahmen für die Zusammenziehung 
der Flotte bei Portland getroffen hatte. 
Großbritannien hat also früher mobilisiert als selbst Serbien. 
Großbritannien hat sich ferner ebenso wie Frankreich geweigert, in 
Petersburg mäßigend und zügelnd einzuwirken. Auf die Meldungen des 
englischen Botschafters in Petersburg, aus denen ganz klar hervorging, 
daß nur eine Mahnung an Rußland, mit der Mobilisation einzuhalten, 
die Situation retten konnte, hat Sir E. Grey nichts getan, sondern die 
Dinge gehen lassen, wie sie gingen. Zu gleicher Zeit hat er aber geglaubt, 
daß es nützlich sein würde, Deutschland und Oesterreich-Ungarn, wenn 
auch in nicht ganz klarer Weise, doch deutlich genug darauf hinzuweisen, 
daß sich auch England an einem europäischen Kriege beteiligen könnte. 
Zu derselben Zeit also, wo England sich nach dem Fallenlassen seiner 
Konferenzidee den Anschein gab zu wünschen, daß sich Oesterreich-Ungam 
auf Deutschlands Vermittelung hin nachgiebig zeigen sollte, weist Sir 
Edward Grey den österreichisch-ungarischen Botschafter in London auf
	        
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