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bracht, wenn man sagt, er sei ein Willensakt, in welchem sich die Rechts-
fähigkeit bethätigt? Es hat dies keine grössere Bedeutung als wenn man
sagte, er sei eine Bethätigung des Selbstbewusstseins, der Verstandeskräfte
u. dgl. Soll die Bezeichnung „Machtäusserung, Herrschaftsakt“ eine besondere
juristische Qualifikation staatlicher Handlungen sein, so muss sie in einem
engeren, prägnanten Sinne genommen werden.
Staatliche Hoheit oder Herrschaft ist die Befugniss des Staates, freien
Menschen mit zwingender Kraft zu befehlen, ihnen Handlungen, Lei-
stungen, Unterlassungen ohne Rücksicht auf ihre Zustimmung in rechts-
verbindlicher Weise aufzulegen, über ihre persönlichen Kräfte, ihr Vermögen,
ihre Freiheit, ja selbst über ihr Leben zu verfügen. Diese Rechtsmacht ist
das spezifische Vorrecht des Staates, welches er mit Niemandem theilt,
welches für ihn charakteristisch ist. Wenn man sagt: „Der Staat herrscht“,
so hat man diejenige Eigenschaft hervorgehoben, ohne welche man den
Staat sich nicht vorstellen kann und welche andererseits ihn von allen andern
Subjekten der gesammten Rechtsordnung unterscheidet. Aber daraus darf
man nicht folgern, dass der Staat nichts Anderes thut als „herrschen“, dass
alle seine Handlungen Herrschaftsakte seien. Der Staat verwendet im Gegen-
theil seine Herrschaft nur so weit, als es für die Erfüllung seiner Aufgabe
nothwendig oder nützlich ist; wo er ohne dieselbe seine Zwecke gar nicht
oder nur unvollkommen oder nur mit übermässigen Opfern erreichen würde.
Die einzelnen staatlichen Handlungen sind nur dann Aeusserungen der
Macht, des imperium, wenn sie einen Befehl, einen Zwang enthalten; der
!Staat kann sich aber auch anderer Formen bedienen. Wenn man behauptet,
der Staat könne desshalb mit Privaten keine Verträge schliessen, weil er
ihnen nicht gleich stehe, sondern über sie herrsche, so ist dieser Grund
nicht stichhaltig. Gerade im Gegentheil! Weil der Staat Herrscher ist, kann
er sich nach eigenem Belieben aller Rechtsformen bedienen, die ihm nütz-
lich scheinen, und wenn er sich auf das Niveau des Privatrechts stellt und
mit einem Einzelnen nach den Regeln desselben — wenngleich eines für
gewisse Verwaltungszwecke modifizirten — Rechtsverhältnisse begründet, so
ist dies eben eine Bethätigung seiner Freiheit, seiner „hoheitlichen Macht, *
diejenige Rechtsform zu wählen, die ihm beliebt. Sowie der Einzelne, statt
Gewalt zu gebrauchen, auch wo er es könnte, es häufig vorziehen wird, den
Weg der Vereinbarung und gütlichen Verständigung zu beschreiten, so kann
auch der Staat bei Begründung von Verhältnissen, welche er durch ein-
seitigen Herrscherakt hervorzurufen im Stande wäre, es vorziehen, dem
Einzelnen, der davon betroffen wird, einen Antheil, ein Mitwirkungsrecht
einzuräumen, seine Zustimmung zu erkaufen. Wenn der Staat dabei besser
fortkommt, warum soll er sich unnöthiger Weise als Herrscher aufspielen ?
Desshalb sind die vom Verf. bereits in der Einleitung (S. 21 fg.) scharf be-
tonten und in dem ganzen, hier in Rede stehenden Abschnitt durchgeführten
Anschauungen, dass die gesammte staatliche Verwaltungsthätigkeit Aus-
übung der hoheitlichen Macht über die Einzelnen sei, dass der letztere stets
„der leidende Theil sei, dessen Verhältniss zum Staate von diesem einseitig
bestimmt wird,“ — „dass der Einzelne dem verwaltenden Staate gegenüber
von Haus aus keine Befugnisse habe“ und dass, „wenn man von Rechten
der Einzelnen spricht, das blosse Widerspiele der verfassungsmässigen Ord-
nung der Staatsthätigkeit oder der durch die staatliche Einwirkung be-
gründeten Rechtsverhältnisse seien“ — einseitige und meines Erachtens
unhaltbare. Sie verkümmern das Verwaltungsrecht und verkürzen den Reich-
thum seiner juristischen Formen, sie pressen alles in die Schablone des