508 Völkerrechtliche Lehre
ein auswärliges verstiess, begreift sich leicht, da der Grund und
der Fall der Bestrafung, welchen sie annehmen, auf beide Arten
von Vergehen ebenmässig passt.
Ein Gegenstand der vielfachsten Verhandlungen ist endlich noch
d) die Verpflichtung des Staates zur Auslieferung
eines geflüchteten Ausländers,
und weit laufen auch hier Ansichten und Gründe auseinander.
Zuerst denn eine Aufzählung Derjenigen, welche eine Aus-
lieferungspflicht nicht anerkennen, und zwar mil Sonderung nach
der Art der Schriften, in denen sie sich aussprechen.
Von den Systemen des Vülkerrechtes erklärt sich eine
grosse Anzahl, und zwar sowohl solche, welche auf philosophisch-,
als solche, welche auf positiv-rechtlicher Grundlage stehen, gegen
eine rechtliche Verpflichtung des Staates, Ausländer, die er in
sein Gebiet zugelassen und somit in seinen Schutz aufgenommen,
zur Untersuchung und Bestrafung an den von ihnen angeblich
verletzten Staat auszuliefern. — Schon Pufendorf, Jus nat. et
gent., L. VIII, c. 6, $ 12, erkennt keine vollkommene Pflicht der
Auslieferung an. Nur wenn der Schützling auch nach der Aul-
nahme seine Unternehmungen gegen den frenden Staat forlseize,
sei die Maassregel gerechtfertigt. (Frage: ob nicht vielmehr Be-
strafung ?) — Entschieden spricht sich, was Manchem wohl un-
erwartet sein mag, gegen Auslieferung aus: Schmalz, V.R.,
S. 158, weil sonst despolische Ungerechtigkeit auch unschuldig
verfolgte Männer aus ihrem Zufluchtsorte reissen könnte. Und
wenn an derselben Stelle die gegenseilige Auslieferung der
deutschen Stualen als ein Beweis von Freundschaft und Gelällig-
keit bezeichnet ist, so kann dieser scheinbare Widerspruch
seine Erklärung in der Üeberzeugung des Verfassers finden, dass
nie ein deulscher Staat despolisch und ungerecht sein, niemals
einer Unschuldige verfolgen könne. — Auch Saalfeld, Hand-
buch, S. 81 ff., erkennt grundsätzlich keine Auslieferungspflicht
an. Seine weitere Ausführung der angeblichen Uebung ist frei-
lich verwirrt und grundsatzlos. — Ebenfalls keine vollkommene
Pflicht erkennt Martens, Precis du dr. d. g., S. 1%4 ff., und
Erzählungen merkw. Fälle, Bd. I, S. 21; doch giebt er zu, dass