Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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hält?®) die Feststellung der Friedenspräsenzstärke des 
Heeres für ein Gesetz im materiellen Sinne des Wortes, im 
Gegensatze zu der bloss jährlichen budgetmässigen Feststellung, 
welche ein Gesetz im formellen Sinne sei. ULBRICH 3°) ist der 
Ansicht, dass das Gesetz über die jährliche Festsetzung der aus- 
zuhebenden Mannschaft ein Gesetz im materiellen Sinne sei, 
weil es eine nähere Determination der Wehrpflicht der Unter- 
thanen enthalte. 
Nun ist es vorerst allerdings unzweifelhaft, dass ın dem 
Falle, wenn das Rekrutengesetz die ausschliessliche Grundlage 
der Wehrpflicht der Staatsangehörigen bildet, durch dasselbe in 
gleicher Weise ein Rechtssatz aufgestellt werde, wie durch ein 
Finanzgesetz, durch welches den Staatsangehörigen eine gesetzlich 
bisher nicht fixirte Abgabenpflicht auferlegt wird. Das Gleiche 
gilt, wenn zwar die Wehrpflicht durch Gesetz festgestellt ist, 
allein die Fixirung des Kontingentes nur für die Etatsperiode 
(Geltung hat, nach deren Ablauf die Giltigkeit der Festsetzung 
erlischt, insofern nicht eine Erneuerung stattgefunden hat °'). 
In den meisten europäischen Staaten ist dermal das Prinzip 
der allgemeinen Wehrpflicht zur gesetzlichen Geltung gelangt. 
Die Fixirung des Kontingentes hat hier nur den Sinn, dem 
stehenden Heere einen Nachwuchs in dem Maasse zuzuführen, 
um die in Aussicht genommene Friedenspräsenzstärke bezw. die 
im Kriegsfalle zur Vertheidigung des Staatsgebietes erforderliche 
Heeresmacht erreichen zu können. Wo dies zutrifft, ist also die 
Wehrpflichtigkeit der einzelnen Staatsbürger überhaupt von der 
Votirung des Rekrutenkontingentes unabhängig, doch würde die 
Unterlassung dieser Votirung die Folge haben, dass die tauglichen 
Wehrpflichtigen sämmtlich in die Landwehr resp. in den Land- 
sturm eingereiht werden müssten, weil dies die geringste Last ist, 
welche bei Bestand der allgemeinen Wehrpflicht den Betheiligten 
zum Mindesten treffen muss. 
— 
  
2) In Grünhut’s Zeitschr., II. Bd., S. 209. 
8) Lehrb. d. österr. Staatsr., $ 144, 8. 380. 
31) Man vgl. art. 119 der belgischen Verfassung: Le contingent de 
l’armee et vote annuellement. La loi, qui le fixe, n’a de force, que pour un 
an, si elle n’est renouvellee.“ 
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