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ganz!), sei es, dass sich für sie der Begriff der Strafe in der
Criminal- und Disciplinarstrafe erschöpft, sei es, dass sie still-
schweigend die Ordnungsstrafe einer dieser beiden Categorien
angliedern. Aber auch diejenigen Strafrechtslehrer, welche die
Ordnungsstrafe in ihren Systemen berücksichtigen?), gehen nur
vorübergehend auf sie ein, kommen jedoch in ihren Ansichten
über die rechtliche Natur der Ordnungsstrafe zu den widerspre-
chendsten Resultaten.
So dürfte der Versuch sich rechtfertigen, sämmtliche Ord-
nungsstrafen der Reichsgesetzgebung einmal im Zusammenhang
zu betrachten, sie auf ihr Wesen und ihre rechtliche Natur zu
untersuchen und ihr Verhältniss unter einander und zu den übrigen
Strafarten festzustellen.
“ Insbesondere wird dabei die Berechtigung der herkömm-
lichen Eintheilung der Strafe genauer zu prüfen sein.
Vorauszuschicken ist eine kurze Uebersicht über die herr-
schenden Ansichten bezüglich der Ordnungsstrafe.
Theorien über die Ordnungsstrafe.
1. von Bar (l. c.) geht auf die Ordnungsstrafe ein bei Fest-
stellung des Verhältnisses zwischen Disciplinarstrafe und staat-
licher Strafe. Er unterscheidet Ordnungsstrafe im eigentlichen
und uneigentlichen Sinn. Letztere ist eine „ganz geringfügige,
auf Nichtbeobachtung insbesondere von Formvorschriften gesetzte
Strafe.“ Die erstere dagegen ist Disciplinarstrafe. „Es ist die
zur Erzwingung einer einzelnen Handlung im einzelnen Fall be-
sonders angedrohte Strafe.“ Sie ist wesentlich Zwangsmittel;
!) von HoLTZENDORFF, Handbuch des deutschen Strafrechts in Einzel-
beiträgen ; HÄLScCHNER, Das gemeine deutsche Strafrecht; WÄcHTER, Vorlesungen
über Strafrecht; BERNER, Lehrbuch des Strafrechts, 14. Aufl.
2) Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 3. Aufl., S. 238; von Bar,
Handbuch des deutschen Strafrechts, Bd. I, S. 353; H. Meyer, Lehrbuch
des deutschen Strafrechts, 4. Aufl., Bd. I, S. 8ff.;, Bmopme, Handbuch des
Strafrechts, Bd. I, S. 274, 796.