Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Ferner darf nicht übersehen werden, dass alle gesetzlichen 
Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit 
modern sind, dass durch dieselben die Nationen nicht geschaffen 
sind, sondern dass diese Gesetze vielmehr den Bestand der Na- 
tionen voraussetzen. $& 2 des deutschen Gesetzes vom 1. Juni 1870 
sagt: „Die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate wird fortan 
nur begründet“ und $ 13: „die Staatsangehörigkeit geht fortan 
nur verloren“ u.s. w. Das Gesetz lässt uns also im Stich, wenn 
es sich um Entstehung und Verlust der Staatsangehörigkeit vor 
der Geltung desselben handelt. Die partikularen Gesetze führen 
um einige Jahrzehnte weiter rückwärts, aber auch sie setzen einen 
Bestand an Staatsangehörigen voraus, den sie als Thatsache an- 
nehmen. Und wie die Indigenatsgesetzgebung selbst, so führt 
auch die Anwendung derselben in der Praxis zu der Annahme 
eines Rechtssatzes, welchen wir in den Gesetzen nicht finden. 
Die Staatsangehörigkeit hat mit dem Eigenthum das gemein, 
dass ein Beweis der Entstehung nur bei denjenigen Erwerbsarten 
erbracht werden kann, welche die Ausnahme bilden. Nur in den 
seltenen Fällen des Eigenthumserwerbs durch Occupation und 
Specification ist die Thatsache, durch welche das Eigenthum ent- 
standen ist, zu beweisen. Bei allen derivativen Erwerbsarten ist 
der Beweis des Erwerbs ausgeschlossen, nur durch Besitz und 
Verjährung wird es möglich, dass Jemand seines Eigenthums froh 
werde. So ist auch bei der Staatsangehörigkeit der Beweis der 
Entstehung nur in dem Ausnahmefalle der Naturalisation möglich. 
Bei den derivativen Erwerbsarten Abstammung, Ehe, Legitimation 
müsste man zum Zwecke eines stringenten Beweises in der Prüf- 
ung der Staatsangehörigkeit von Geschlecht zu Geschlecht rück- 
wärts gehen. Dabei würde man in der ungeheuren Mehrzahl 
der Fälle im Laufe weniger Generationen die Spur verlieren und 
die Beantwortung der Frage als unmöglich aufgeben müssen. 
Keine Behörde kommt zu diesem Schlusse, weil alle den unge- 
schriebenen Rechtssatz anwenden, dass mangels entgegenstehender
	        
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