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stimme doch wirtschaftlich in der Lage ist, es durchführen zu
können, sagt er nicht; er hält den Fall wohl für unmöglich.
Wir werden sehen, dass auch hierin seine Anschauung der Wirk-
lichkeit nicht entspricht.
I.
1. Jede Theorie ist stets nur ein Versuch, die Wirklichkeit
zu erklären. Haben wir REHMs Theorien bis jetzt auf ihre
innere Wahrscheinlichkeit untersucht, dann wollen wir sie nun
einmal mit der Praxis vergleichen. Wir werden dann
finden, dass sie in keiner Beziehung mit ihr über-
einstimmen.
Nach REHMs Anschauung sind schliesslich nur die altfürst-
lichen Geschlechter (denn die kurfürstlichen sind auch altfürst-
lich) wirtschaftlich in der Lage das Ebenburtsrecht durchzu-
führen. Er erklärt demnach altfürstlich von vorn-
herein als identisch mit wirtschaftlich stark,
neufürstlich, altgräflich und reichsfreiherr-
lich als identisch mit wirtschaftlichschwach.
Man darf diesen Satz nur aussprechen, um sich sofort seiner
Unrichtigkeit bewusst zu werden. Es gibt sehr reiche neufürst-
liche und altgräfliche und sehr wenig bemittelte altfürstliche Fa-
milien. Das 1694 erloschene altfürstlicke Haus Pfalz-Vel-
denz, gar eine kurfürstliche Nebenlinie, lebte, trotzdem ihm
eine Virilstimme zu Gebote stand, in den allerbescheidensten
Verhältnissen !?, während die neufürstlichen Liechtenstein,
Lobkowitz, Auersperg und die nur auf der Grafenbank
sitzenden Fugger, Schwarzenberg und Thurn und
Taxis recht gut situiert waren und sind. Ebensowenig ent-
spricht es der Sachlage, wenn man ohne weiteres voraussetzt,
die reichsgräflichen und neufürstlichen Familien hätten alle
19 Tp. GUMPEL, Geschichte des Fürstentums Pfalz-Veldenz, Kaiserslautern,
1900 S. 826 ft.