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sicht hatten, es aufzustellen, da er diese ja bei allen Reichs-
ständen als selbstverständlich voraussetzt.
Es ist einer der vielen Widersprüche in ReHums Theorie,
dass er einmal — freilich übereinstimmend mit allen anderen
Rechtslehrern — das hausgesetzlich aufgestellte Eben-
burtsrecht als zu Recht bestehend annimmt, zu gleicher Zeit aber
ganz allgemein behauptet, neufürstliche und altgräfliche Familien
hätten es nicht durchführen können. Es würde dem-
nach, wo solche Familien es hausgesetzlich aufgestellt haben,
von ihnen etwas Unmögliches rechtsverbindlich gefordert. Was
hiervon zu halten ist, weiss jeder Jurist. Aber ein Blick auf
die Praxis zeigt, dass das angeblich Unmögliche doch von ihnen
geleistet wurde, — die Unmöglichkeit, die eine Hauptstütze seiner
Theorie ist, ist demnach in Wirklichkeit nicht vorhanden.
Hausgesetzlich bestimmte die Ottonische Linie
des Hauses Nassau? welche erst 1654 eine Virilstimme er-
hielt, schon im Jahre 1597, also zu einer Zeit, als sie noch
reichsgräflich war, dass keines ihrer Mitglieder sich „mit einer,
so zum wenigsten dem Stand und Herkommen nicht ebenbürtig,
verheirate“ 2, Und wie bis dahin im Hause nur ebenbürtige
Ehen geschlossen worden waren, nicht nur im Mittelalter, son-
dern auch während der angeblich so kritischen
Zeit von 1450-1550, so war es dem Geschlechte auch nach
1550 wirtschaftlich möglich, trotzdem es nicht zu den altfürst-
lichen gehörte, seine Mitglieder ebenbürtig zu vermählen. Aller-
dings finden sich unter den 36 Ehen, die sie zwischen 1550 und
1806 schlossen, auch 2 unebenbürtige: die dritte Ehe Johann
Franz Desiders (} 1699), der nach zwei ebenbürtigen Ehen
eine dritte morganatische mit Isabella de Montant schloss,
20 Die beiden Linien des Hauses Nassau teilten sich schon um 1250; sv
kann man sie als zwei selbständige Häuser betrachten, vor allem für div
Theorie REHMS, der das Ebenburtsrecht erst seit 1550 sich bilden lässt.
#1 KOHLER, Deutsches Privatfürstenrecht, Sulzbach 1832 S. 148.