Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Vorschrift des Art. 30 der Verfassung bestimmt, dass kein Mit- 
glied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reich ge- 
hörigen Staats wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Aus- 
übung seines Berufs getanen Aeusserungen zur Verantwortung 
gezogen werden könne. Der 8 12 StGB. hatte die Vorschrift 
des Art. 22 RV., wonach wahrheitsgetreue Berichte über Ver- 
handlungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstags von je- 
der Verantwortlichkeit frei bleiben, auf die Berichte über die 
Verhandlungen der Landtage der Einzelstaaten ausgedehnt. Fer- 
ner enthalten die StPO. $ 49 und die OPO. 8 382 eine gleiche 
Bestimmung über den Ort, an welchem „die Mitglieder einer 
deutschen gesetzgebenden Versammlung“ als Zeugen zu verneh- 
men sind. Diese Vorschrift bezieht sich in gleicher Weise auf 
die Mitglieder der einzelnen Landtage wie auf die des Reichs- 
tags. Durch 86 EG. zur StPO. werden ferner die dem Art. 31 
RV. entsprechenden Vorschriften der Verfassungen der Einzel- 
staaten aufrecht erhalten. Es heisst dort, dass die landesgesetz- 
lichen Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter welchen 
gegen Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung während der 
Dauer einer Sitzungsperiode eine Strafverfolgung eingeleitet oder 
fortgesetzt werden kann, durch die StPO. nicht berührt werden. 
Danach ist es undenkbar, dass, wenn man bei Abfassung der 
StPO. und der CPO. die Ansicht gehabt hätte, Art. 30 RV. 
enthalte für die Mitglieder des Reichstages eine Ausnahme von 
der Verpflichtung zum Zeugnis, man etwaige gleiche Bestim- 
mungen der Landesverfassungen ohne weiteres abgeschafft hätte. 
Man würde solche Bestimmungen nicht allein aufrecht erhalten, 
sondern dort, wo sie nicht bestanden, den Mitgliedern des Land- 
tags oder der Kammern eine gleiche Vergünstigung, wie den Mit- 
gliedern des Reichstags gewährt haben. Wenn dieser Punkt in 
den Verhandlungen über die Abfassung der CPO. und der 
StPO. überhaupt nicht erwähnt worden ist, so lässt sich dieses 
nur dadurch erklären, dass man damals nicht an die Möglich-
	        
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