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Hat man sich das Urteil ordentlicherweise so gegliedert
und zusammengesetzt zu denken, so stellt sich daneben die Mög-
lichkeit, dass einem Urteil der eine oder der andere der zwei
Bestandteile fehlt. Es gibt einerseits Urteile „ohne konstitutive
Funktion“, die also lediglich erklären, was schon Rechtens ist.
Als Hauptbeispiel dienen die bekannten Feststellungsurteile im
eigentlichen Sinn. Sie schaffen kein neues Recht, sind aber rechts-
kraftfähig. Auf der andern Seite wird es Urteile geben können,
welche „nur konstitutiv“ sind, also keine Feststellung bereits vor-
handenen Rechts enthalten, sondern im Gegensatz dazu mit freiem
Ermessen einen neuen Rechtszustand begründen. Diese haben
dann folgerichtig keine Rechtskraft, wenigstens die nicht, welche
man die absolute nennt.
Die ganze Lehre ist noch sehr im Fluss, und namentlich über
die Abgrenzung der einzelnen Bestandteile und Gruppen ist man
nicht einig. Uns scheint es, dass man zu viel Wert legt auf die
abstrakte Zerlegung des Inhalts des Urteils, während doch dieses
nach seiner praktischen Wirksamkeit als Ganzes einheitlich
der einen oder andern Art angehört. Unsere verwaltungsrecht-
lichen Begriffe der Entscheidung und Verfügung geben viel brauch-
barere Abgrenzungen: fast die ganze Hauptgruppe der aus Fest-
stellung und Rechtsgestaltung zusammengesetzten Urteile löst sich
für uns auf in Entscheidungen und Verfügungen, je nachdem
die Feststellung oder die Rechtsgestaltung im Ganzen des Ur-
teils überwiegt.
Um das zu erläutern, will ich zwei Hauptpunkte aus HELL-
wiss Darstellung in „Wesen und subjektiver Begrenzung der
Rechtskraft“ herausgreifen; die hervorragende Bedeutung, die
HELLwıGs Lehren für unseren Gegenstand gewonnen haben, recht-
res judicata gehört zur deklaratorischen, nicht zur konstitutiven Urteils-
funktion‘; ebenda S. 474. PAGENSTECHER, Rechtskraft S. 25 Note 60: „Bei
der rechtsändernden Funktion des konstitutiven Urteils kann man von einem
Rechtskraftproblem eigentlich kaum reden.“