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Das heisst denn aber gerade, die gesetzgeberische Absicht
auf den Kopf stellen. Auf die Widerlegung der zahlreichen
Einwände gegen die SEYDELsche Ansicht, die man durch eine
Zergliederung des Begriffes „Sorge“ bekämpft, kann hier ver-
zichtet werden. Bei alledem scheint man zu übersehen, dass die
Redaktion des Art. 29 (bezw. 38) vom Referenten Prof. EDEL
stammt !°, der sich bei jeder Gelegenheit gerade strikte
gegen eine solche Massnahme ausgesprochen hat, wie man sie
aus dieser Gesetzesstelle zugunsten der Gemeinde herzuleiten
sucht 15%. Wo bleibt also die mit dem Ausdruck Sorge ver-
bundene bestimmte legislatorische Absicht?
Ueberblickt man nun noch einmal das in der Pfalz geltende
Recht, so ergibt sich, dass die Rechtslage äusserst kompliziert
und keineswegs klar ist. Allein soviel ist jedenfalls sicher, dass
ein präziser Rechtssatz fehlt, der die Gemeinden ermächtigt, die
Unterhaltung der Trottoirs durch die Anlieger zu fordern.
Man hält es nun für gerechtfertigt, die Adjazenten heran-
zuziehen und entstellt die Begriffe und gesetzlichen Vorschriften
bis zur Unkenntlichkeit, um eine derartige Verpflichtung herzu-
leiten. Man lässt sich einfach nicht überzeugen, dass der 8 366
Ziff. 10 des RStGB. gar keine reichsgesetzliche Delegation ent-
hält; man bezeichnet das Trottoir als einen Aufbau, eine Anlage
auf dem Strassenkörper, man verweist die Trottoirunterhaltung
in das Gebiet des Wegepolizeirechts etc. Man zieht alte fran-
zösische Bestimmungen hervor, die durch die Gemeindeordnung
längst beseitigt sind. Nachdem alles nichts hilft, sucht man
aus dem Ausdruck „Sorge“ eine Reihe gesetzgeberischer Ab-
sichten herauszupressen, die den Intentionen des Gesetzgebers
direkt widersprechen.
152 Vergl. die obigen Ausführungen $. 563.
155 Vergl. EDEL, Das PoIStGB. für das Königr. Bayern v. 26. Dez. 1871
Erlangen 1872 8. 165.