Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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auf den übrigen Gebieten der Gesetzgebung, dann die prinzipielle 
Ausdehnung auf die Gesamtheit der von der Wohnungsfrage 
betroffenen Volkskreise ohne Unterschied der Berufsgattung oder 
sonstiger Schranken, endlich dass zur eigentlichen Durchführung 
des ganzen Gesetzeswerkes die historisch ausgebildete und seit 
alters mit besonderen Vorrechten ausgestattete Gemeinde- 
autonomie berufen wurde. Der „Munizipalsozialismus“, wie 
ihn CHAMBERLAIN proklamiert hat, fand in England auf dem 
Gebiete des Wohnungswesens ganz besondere Gelegenheit, seine 
Berechtigung und innere Kraft zu erweisen. 
In ähnlich umfassender Weise hat Belgien '” mit dem Ge- 
setz vom 9. 8. 1889 (dazu Zirk.-Verordng. vom 15. 10. 1889) die 
Wohnungsfrage zu lösen versucht. Dasselbe bezweckt einerseits 
Verbesserung der vorhandenen Wohnungen, anderer- 
seits Vermehrung der Arbeiterwohnungen u. zw. in erster 
Linie durch Uebertragung kleiner Familien- 
häuser in den Eigenbesitz des Arbeiters. In 
ganz eigentümlicher, vom sozialpolitischen Gesichtspunkt keinesfalls 
zu billigender Weise hat das Gesetz hiebei den Begriff des 
„Arbeiters“ umschrieben: zufolge einer Durchführungsver- 
ordnung des Fin.-Min. v. 20. 3. 1899 sind hierunter alle jene zu 
verstehen, „welche von ihrem Arbeitslohne lebend mit ihren 
Händen arbeiten für einen Arbeitgeber oder Meister, sei es 
auf einen Tag oder auf längere Dauer, sei es auf Zeit oder per 
Stück, innerhalb oder ausserhalb des Wohnsitzes, sei es in in- 
dustriellem oder landwirtschaftlichem Betriebe und ohne Rück- 
sicht auf die Höhe des Einkommens.“ Wenn bier 
also auch auf die Aufstellung jedweder Einkommensgrenze ver- 
12 Siehe insbes.: R. BücHer, „Die belgische Sozialgesetzgebung und 
das Arbeiterwohngesetz vom 9. 8. 1889°. In BrAauns Archiv f. Sozial- 
gesetzgbg. und Statistik. Bd. IV. 8. 442 u. f. Dr. EmiL ver Hees, „Die 
Wohnungsfrage in Belgien“. Schrift. d. Vereines f. Sozialpol. Bd. 97. 
S. 185 u. f.
	        
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