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Möglichkeit gegeben, dass die immer inhaltsgleiche
Adelsfrage von diesen verschiedenen Stellen verschieden
beantwortet würde. Würde diesen verschiedenen Entscheidungen
aber gleiche Autorität beiwohnen, so würde die Entscheidung
keiner dieser Stellen allgemein gültig sein, da die Ent-
scheidung der einen Stelle vielmehr die Geltung der Entschei-
dung der anderen Stelle durchbrechen würde.
Dass nun in Preussen eine allgemein gültige Zuerkennung
adelsrechtlicher Befugnisse stattfindet, ist zweifellos und bisher
auch von den Gerichten nicht bestritten. Die für diese allge-
mein gültige Zuerkennung adelsrechtlicher Befugnisse zuständige
Zentralstelle kann nur der König sein (vgl. Art. 50 der Preus-
sischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850). Auch dies
ist wohl nicht zu bestreiten und wird von den höchsten Gerichten
dadurch anerkannt, dass die Zulässigkeit des Rechtswegs für
den Anspruch eines Adelsprätendenten auf Anerkennung seiner
Adelszugehörigkeit, der sich gegen das Staatsoberhaupt richtet,
verneint wird. Somit folgt, dass die Entscheidung des Königs
oder des von ihm verordneten Delegaten als Entscheidung
dieser Zentralstelle für alle Behörden, also auch die
Gerichte, und den Adelsprätendenten bindend sein muss.
Nähme man an, dass es in Preussen keine Zentralstelle
für die Entscheidung der Adelsfrage gebe, so wäre es in Preussen
möglich, dass die nach den Ausführungen des Reichsgerichts immer
inhaltsgleiche Adelsfrage von den Gerichten, von den
Regierungen, von den Kirchen-, Militär- und Polizeibehörden
rechtsgültig in ganz verschiedener Weise beantwortet
würde. Dass dies nicht der Fall sein kann, bedarf keiner wei-
teren Ausführung (vgl. Archiv für öffentl. Recht a. a. O. 8. 2
bis 7, und auch oben $. 28). Die gegenteilige Annahme würde
mit dem öffentlichen Charakter des Adelsrechts ebenso wie mit
der rechtsgeschichtlichen und verfassungsmässigen Entwickelung
Preussens in Widerspruch stehen.