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der katholischen Kirche für den Bischof in Anspruch genommen, es sei zur
„Aufrichtung einer kirchlichen Rechtsgewalt über geistliche Dinge“ ge-
kommen (vgl. bes. S. 318 ff. 92). FORRSTER sieht darin eine beklagens-
werte Reaktion, die von dem Wege der Verwirklichung des durch die Re-
formation vorgezeichneten Ideals einer nur in Externis vom Staat geleiteten,
quoad Interna aber ganz ohne Rechtszwang handelnden Kirche abge-
führt habe.
Es würde nicht förderlich sein, im knappen Rahmen der Anzeige gegen
die eingehenden Darlegungen des Verfassers zu polemisieren — beklagt
sich doch FOERSTER in der Vorrede zum zweiten Bande ohnehin schon,
dass die historischen und juristischen Kritiker seines ersten Bandes sich
offenbar nicht so tief wie er mit dem Problem beschäftigt hätten —, aber
andeuten möchte ich doch, nach welchen Richtungen hin vornehmlich eine
weitere Prüfung der von ihm vertretenen Auffassung des historischen Ent-
wickelungsganges wünschenswert wäre. Zur richtigen Würdigung der Stel-
lung Friedrich Wilhelms IIl. käme es darauf an klarzustellen, ob nicht doch
eine Leitung in kirchlichen Angelegenheiten ganz in dem Umfange, wie
sie als Gegenstand des modernen Kirchenregiments erscheint, schon vor
ihm in Anspruch genommen ist. Gewiss stellte die territorialistische Dok-
trin den Grundsatz auf, dass die Religion selbst kein objectum legum huma--
narum sei, und sie schied auch zwischen Internis und Externis. Sie fasste
aber den Begriff der Externa so weit, dass schliesslich alle Angelegenheiten,
die überhaupt rechtlicher Normierung fühig waren, darunter fielen, und
insbesondere ist ein ius liturgicum, ja auch das Recht wegen Iırlehre ein-
zuschreiten nicht nur von THoMAsıUs, J. H. BÖHMER u.a. für den Landes-
herrn in Anspruch genommen, sondern in Preussen von diesen auch geübt.
Zur Information über diese Frage, reichen m. E. die von FOERSTER S. 71
zit. Schriften, von denen die interessante Arbeit AnsELM FEUERBACHSs
übrigens den kritischen Punkt nicht berührt, kaum aus, Aus den Bestim-
mungen der ersten Abschnitte des Tit. 11 Tl. I Allg. Landrechts ist auf eine
andere Rechtslage nicht zu schliessen. Die dort stehenden Sätze sind auch
vielfach nicht geltendes Recht geworden, sondern haben nur die Bedeutung
von Richtlinien gewonnen (vgl. meine „Ausgaben des preuss. Staats f. d.
evang. Landeskirche S. 115, 116). Auch überschätzt FOERSTER wohl das
Mass der Freiheit, welche das ALR. den Geistlichen und Gemeinden lässt '!.
ı Ich möchte in dieser Hinsicht nur einen Punkt hervorheben der ein
allgemeineres Interesse haben dürfte. FOERSTER schliesst aus den $$ 73,
74 II, 11, dass nach ALR. eine Entsetzung wegen Irrlehre überhaupt nicht
und jedenfalls ein amtliches Einschreiten wegen Irrlehre nur zulässig sei,
sofern ein Anstoss in der Gemeinde erregt sei. Die Einsicht in die Ma-
terialien führt zu einer andren Auffassung des Gesetzes, SUAREZ machte
in der Revisio monitorum (Bd. LXXI, 3 S. 895 der im Justizministerium