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gerichtsbarkeit nicht einen Teil der Militärhoheit, sondern der
Justizhoheit bilde, sohin auch für Bayern gemäss Artikel 4
Ziffer 13 der Reichsverfassung der reichsgesetzlichen Regelung
unterstehe.
Auch die wissenschaftlichen Anschauungen waren geteilt.
Mittermaier? räumte das Bestehen eines bayerischen
Reservatrechts allerdings für den Fall ein, wenn die Gerichtsbar-
keit zur Militärhoheit gehöre, vermochte aber keine Wesensbe-
ziehung zwischen Letzterer und der Gerichtsbarkeit zu erblicken
und erachtete daher die Gerichtsbarkeit auch im Heere als zur
Justizhoheit gehörig. Folgerichtig stellte Mittermaier daher
das Bestehen eines bayerischen Reservatrechts in Abrede, trat
jedoch der Ansicht von Marcks? entgegen, dass die Militär-
gerichtsbarkeit zwar zur Militärhoheit gehöre, nach dem Ver-
sailler Bündnisvertrage aber Bayern die Militärhoheit nicht ın
ihrem ganzen Umfange zustehen sollte, dass man ferner histo-
risch bei der Vertragsbestimmung nicht an die Gerichtsbarkeit
gedacht habe und dass der „Zweck im Recht“ dem bayerischen
Reservat entgegenstehe.
Die Verteidiger * des bayerischen Reservatrechts auf einen
besonderen bayerischen obersten Militärgerichtshof betonten vor
allem, dass die Militärgerichtsbarkeit ein Teil nicht der Justiz-
hoheit, sondern der Militärhoheit ist, da letztere die volle Staats-
gewalt in allen ihren Beziehungen zum Heerwesen darstellt
(Francke a. a O; Paulus aa. O.; Rehm a. a.0.;
? Mittermaier, „Die Militärstrafprozessordnung vom 1. Dez. 1898*
in der Zeitschrift f. d. gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 19, S. 554 ff.
®v. Mark, „Das Bayerische oberste Militärgericht“, Berlin 1897.
*v. Seydel, „Kommentar zur Reichsverfassung“ und in „den Annalen
des Deutschen Reichs“, Jahrg. 1898, Heft 2, S. 151 f.; Francke im „Archiv
f. öffentl. Recht“ 1902, Bd. 17, S. 219 ff.; Stenglein in der „Deutschen
Juristenzeitung“ II 1897, S. 41 ff.; Grassmann in den „Annalen des
Deutschen Reichs“ 1898, S. 720 fi.; Rehm in der „Zeitschrift f. d. ge
samte Strafrechtswissenschaft“, Bd. 19, S. 418 ff.