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Kirchenverwaltung und diese Verwaltung selbst innere oder weltliche An-
gelegenheit? Wären diese Dinge weltlich oder bürgerlich im Sinne der
Verfassungsurkunde, dann freilich bestünde kaum ein Zweifel darüber, dass
wir die Staatskirche längst haben, dann könnte der staatliche Gesetzgeber
nach seinem Belieben diesen Kern kirchlichen Lebens gestalten, wie er
wollte, er könnte, um das Aeusserste zu nennen, die Kirchengemeinden
aufheben und ihre Vermögensverwaltung den staatlichen Bezirksämtern
übertragen. So möchte der Verfasser des Entwurfs die Sache aufgefasst
wissen, auf diese Weise erschiene es ja noch als entgegenkommend, dass
er Kirchengemeinden bestehen lässt und sogar organisiert. REHM stimmt
dem bei und beurteilt die Bedeutung, welche der örtlichen Vermögensver-
waltung der Kirche zukommt, nicht richtig. Er ist wie die herrschende,
insbes. im Entwurf herrschende Anschauung offenbar durch zweierlei be-
stimmt. Weltlich erscheint ihm die Angelegenheit, weil es sich um mate-
rielle Interessen, Vermögen, Geld, Besitz, Schulden etc. handelt und weil
in solcher Verwaltung sich stets tatsächliche und rechtliche Beziehungen
zu andren Vermögenssubjekten ergeben. Und dazu kommt zu Gunsten
seiner Auffassung noch das Schweigen der Verfassung. Es ist in $ 38, der
die hauptsächlichen inneren Angelegenheiten ausdrücklich nennt, von
der kirchlichen Vermögensverwaltung nicht die Rede. Dieses Schweigen
ist indes nicht so fatal, wie es scheint. Geschwiegen wird von derselben
Sache auch in $ 64, wo die hauptsächlichen weltlichen Angelegen-
heiten genannt sind. Wir fragen also, welcher Reihe steht die ortskirch-
liche Vermögensverwaltung näher, derjenigen des $ 38 oder derjenigen des
$ 64? Der Baulast, die weltlich ist, liegt diese Verwaltung m. E. nicht
näher als einigen Sachen des $ 38, der ja durchaus nicht nur den Glauben,
die Lehre und den Gottesdienst, also das Allerinnerste, sondern auch gar
manches Aeussere mitführt. Wenn REHM sagt, von den inneren Kirchen-
angelegenheiten handeln nur die $$ 39—43, sie beziehen sich auf 8 38,
woselbst die kirchliche Vermögensverwaltung nicht genannt ist, so ist das
ganz richtig, wenn er aber dann fortfährt: „Also betreffen die auf Kir-
chenvermögensfähigkeit und Kirchenvermögen bezüglichen 8$ 44—49 jenes
Kapitels keine innere Kirchenangelegenheit“, so fehlt diesem „Also“ die
Rechtfertigung. Es sind eben in $ 38 ebensowenig wie in $ 64 alle
hauptsächlichen Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung genannt. Da-
gegen liegt es sehr nahe anzunehmen, dass in den die Rechtsfähigkeit be-
treffenden 8$ 44—49 das Recht der Selbstverwaltung und der autonomen
Ordnung eingeschlossen sei. Der $ 75 enthält dafür nur eine Bestätigung,
denn er beschränkt das Recht des Königs in Sachen der Vermögensver-
waltung ausdrücklich auf die Aufsicht. Aufsicht aber ist die Form der
Staatstätigkeit bei inneren Gegenständen ($ 38 Abs. I, dann III. Abschnitt,
insbes. 8 57), Gesetzgebung dagegen bei bürgerlichen, weltlichen ($ 62).
Die Sache würde m. E. theoretisch und praktisch höchst klarliegen,
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. 2. 20