Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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Kirchenverwaltung und diese Verwaltung selbst innere oder weltliche An- 
gelegenheit? Wären diese Dinge weltlich oder bürgerlich im Sinne der 
Verfassungsurkunde, dann freilich bestünde kaum ein Zweifel darüber, dass 
wir die Staatskirche längst haben, dann könnte der staatliche Gesetzgeber 
nach seinem Belieben diesen Kern kirchlichen Lebens gestalten, wie er 
wollte, er könnte, um das Aeusserste zu nennen, die Kirchengemeinden 
aufheben und ihre Vermögensverwaltung den staatlichen Bezirksämtern 
übertragen. So möchte der Verfasser des Entwurfs die Sache aufgefasst 
wissen, auf diese Weise erschiene es ja noch als entgegenkommend, dass 
er Kirchengemeinden bestehen lässt und sogar organisiert. REHM stimmt 
dem bei und beurteilt die Bedeutung, welche der örtlichen Vermögensver- 
waltung der Kirche zukommt, nicht richtig. Er ist wie die herrschende, 
insbes. im Entwurf herrschende Anschauung offenbar durch zweierlei be- 
stimmt. Weltlich erscheint ihm die Angelegenheit, weil es sich um mate- 
rielle Interessen, Vermögen, Geld, Besitz, Schulden etc. handelt und weil 
in solcher Verwaltung sich stets tatsächliche und rechtliche Beziehungen 
zu andren Vermögenssubjekten ergeben. Und dazu kommt zu Gunsten 
seiner Auffassung noch das Schweigen der Verfassung. Es ist in $ 38, der 
die hauptsächlichen inneren Angelegenheiten ausdrücklich nennt, von 
der kirchlichen Vermögensverwaltung nicht die Rede. Dieses Schweigen 
ist indes nicht so fatal, wie es scheint. Geschwiegen wird von derselben 
Sache auch in $ 64, wo die hauptsächlichen weltlichen Angelegen- 
heiten genannt sind. Wir fragen also, welcher Reihe steht die ortskirch- 
liche Vermögensverwaltung näher, derjenigen des $ 38 oder derjenigen des 
$ 64? Der Baulast, die weltlich ist, liegt diese Verwaltung m. E. nicht 
näher als einigen Sachen des $ 38, der ja durchaus nicht nur den Glauben, 
die Lehre und den Gottesdienst, also das Allerinnerste, sondern auch gar 
manches Aeussere mitführt. Wenn REHM sagt, von den inneren Kirchen- 
angelegenheiten handeln nur die $$ 39—43, sie beziehen sich auf 8 38, 
woselbst die kirchliche Vermögensverwaltung nicht genannt ist, so ist das 
ganz richtig, wenn er aber dann fortfährt: „Also betreffen die auf Kir- 
chenvermögensfähigkeit und Kirchenvermögen bezüglichen 8$ 44—49 jenes 
Kapitels keine innere Kirchenangelegenheit“, so fehlt diesem „Also“ die 
Rechtfertigung. Es sind eben in $ 38 ebensowenig wie in $ 64 alle 
hauptsächlichen Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung genannt. Da- 
gegen liegt es sehr nahe anzunehmen, dass in den die Rechtsfähigkeit be- 
treffenden 8$ 44—49 das Recht der Selbstverwaltung und der autonomen 
Ordnung eingeschlossen sei. Der $ 75 enthält dafür nur eine Bestätigung, 
denn er beschränkt das Recht des Königs in Sachen der Vermögensver- 
waltung ausdrücklich auf die Aufsicht. Aufsicht aber ist die Form der 
Staatstätigkeit bei inneren Gegenständen ($ 38 Abs. I, dann III. Abschnitt, 
insbes. 8 57), Gesetzgebung dagegen bei bürgerlichen, weltlichen ($ 62). 
Die Sache würde m. E. theoretisch und praktisch höchst klarliegen, 
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. 2. 20
	        
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