Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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und das dem positiven Rechte gemässe. Beide sind geschichtliche 
Ergebnisse menschlichen Zusammmenlebens, die wir unterscheiden, 
die aber eng zusammenhängen, wie sich greifbar daran zeigt, 
dass das Recht als sogenanntes Gewohnheitsrecht durch Entstehung 
einer Sitte entstehen kann. Man nennt jenes im Gegensatz zu 
dieser zwingend und meint damit, dass es sie an zwingender 
Bedeutung übertreffe. Dass ich mich nicht der Sitte gemäss ver- 
halte, kann aber unter Umständen mein Leben weit mehr hem- 
men, als dass ich mich nicht dem Rechte gemäss verhalte, so dass ich 
Ursache habe, mich jener mehr zu fügen als diesem. Das Bedürf- 
nis, der Sitte gemäss zu leben, besteht jedoch für mich nur als 
einen solchen, der das Bedürfnis hat, an dem durch sie beherrschten 
Zusammenleben teilzunehmen. Die Hemmung, die mein Leben 
dadurch erfährt, dass ich mich ihr nicht füge, geht nicht hinaus 
über meinen Ausschluss von dem durch sie beherrschten Zusam- 
menleben. Liegt mir nichts an diesem, so brauche ich auch die 
Sitte nicht zu beobachten. Dem Rechte kann ich dagegen mich 
nicht entziehen. Das fremde Bedürfnis, dem gemäss ich von Rechts 
wegen mich verhalten soll, ist um so mehr ein solches, dem gemäss 
sein Subjekt von Rechts wegen sich verhalten darf ohne Rücksicht 
auf meine kollidierenden ihm von Rechts wegen untergeordneten 
Bedürfnisse. Daher ist dem Rechte eigen die durch das Unter- 
bleiben meines ihm gemässen Verhaltens gegebene fremde Be- 
rechtigung zur Befriedigung jenes Bedürfnisses unter Ueberwin- 
dung meines etwaigen Widerstandes. Die Befriedigung eines Be- 
dürfnisses umfasst auch die Befriedigung der Bedürfnisse, die 
das Unterbleiben seiner Befriedigung erzeugt, und das durch ein 
dem Rechte nicht gemässes Verhalten begründete fremde Dürfen 
bezweckt nicht nur die Erwirkung des bestimmten Erfolges, son- 
dern auch die Befriedigung des durch seine Vereitelung begrün- 
deten Bedürfnisses ihrer Ahndung. 
Dass andere ihr Bedürfnis durch Zwang gegen mich befrie- 
digen dürfen, kann mich zu seiner Befriedigung nur bestimmen,
	        
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