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und das dem positiven Rechte gemässe. Beide sind geschichtliche
Ergebnisse menschlichen Zusammmenlebens, die wir unterscheiden,
die aber eng zusammenhängen, wie sich greifbar daran zeigt,
dass das Recht als sogenanntes Gewohnheitsrecht durch Entstehung
einer Sitte entstehen kann. Man nennt jenes im Gegensatz zu
dieser zwingend und meint damit, dass es sie an zwingender
Bedeutung übertreffe. Dass ich mich nicht der Sitte gemäss ver-
halte, kann aber unter Umständen mein Leben weit mehr hem-
men, als dass ich mich nicht dem Rechte gemäss verhalte, so dass ich
Ursache habe, mich jener mehr zu fügen als diesem. Das Bedürf-
nis, der Sitte gemäss zu leben, besteht jedoch für mich nur als
einen solchen, der das Bedürfnis hat, an dem durch sie beherrschten
Zusammenleben teilzunehmen. Die Hemmung, die mein Leben
dadurch erfährt, dass ich mich ihr nicht füge, geht nicht hinaus
über meinen Ausschluss von dem durch sie beherrschten Zusam-
menleben. Liegt mir nichts an diesem, so brauche ich auch die
Sitte nicht zu beobachten. Dem Rechte kann ich dagegen mich
nicht entziehen. Das fremde Bedürfnis, dem gemäss ich von Rechts
wegen mich verhalten soll, ist um so mehr ein solches, dem gemäss
sein Subjekt von Rechts wegen sich verhalten darf ohne Rücksicht
auf meine kollidierenden ihm von Rechts wegen untergeordneten
Bedürfnisse. Daher ist dem Rechte eigen die durch das Unter-
bleiben meines ihm gemässen Verhaltens gegebene fremde Be-
rechtigung zur Befriedigung jenes Bedürfnisses unter Ueberwin-
dung meines etwaigen Widerstandes. Die Befriedigung eines Be-
dürfnisses umfasst auch die Befriedigung der Bedürfnisse, die
das Unterbleiben seiner Befriedigung erzeugt, und das durch ein
dem Rechte nicht gemässes Verhalten begründete fremde Dürfen
bezweckt nicht nur die Erwirkung des bestimmten Erfolges, son-
dern auch die Befriedigung des durch seine Vereitelung begrün-
deten Bedürfnisses ihrer Ahndung.
Dass andere ihr Bedürfnis durch Zwang gegen mich befrie-
digen dürfen, kann mich zu seiner Befriedigung nur bestimmen,