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leistete Freiheit durch Gesetz und die durch die Staatsverfassung
gewährleistete durch Verfassungsänderung aufgehoben werden
kann; so lange aber ihre Aufhebung nicht erfolgt ist, darf kein
Staatsorgan sie antasten, und wenn ein solches ein ihretwegen
ihm nicht zustehendes Verhalten beobachtet, ıst sein Wille nicht
ein Staatswille, dem ich Gehorsam schulde, und dessen Durch-
setzung ein Akt nicht der Staatsgewalt, sondern unberechtigter
Gewalt, der gegenüber ich zur Notwehr berechtigt bin. Dabei
ist aber streng zu unterscheiden zwischen der Ueberschreitung
und einem blossen Missbrauch seiner Gewalt. Steht dem bestimmten
Staatsorgane selbst die Entscheidung über den Umfang der von ihm
zu respektierenden Freiheit zu, so handelt es rechtsgültig, wenn es
sie mit Unrecht aberkennt. Es überschreitet dadurch nicht die
Grenze seines Rechtes, verletzt aber seine Pflicht nicht nur
gegen den Staat, sondern auch gegen den dadurch Geschädigten
als einen solchen, zu dessen Ungunsten es seine Gewalt aus-
geübt hat, während es ihm deren Ausübung zu dessen Gunsten
schuldete.e Die dem Menschen als einem Objekte staatlicher
(tewalt geschuldete Ausübung dieser zu seinen Gunsten ist ihm
teils geschuldet auf sein Verlangen oder zum Zwecke einer von
ihm begehrten Förderung seines Lebens, teils unabhängig von
seinem Willen. Im ersten Falle ist er Subjekt des bestimmten
Rechtes, wie jedes Rechtes, dessen Durchsetzung von seinem
Willen abhängt, als Willenssubjekt, im zweiten Falle dagegen
nicht als solches, sondern als Subjekt eines von Rechts wegen
durch fremden Willen wahrzunehmenden Bedürfnisses. Wie so
der Mensch teils aktives teils passives Subjekt von Rechten ist,
so unterliegt er rechtlichen Beschränkungen teils als ein zu
eigenem Verhalten verpflichteter, teils als ein fremder Behand-
lung ausgesetzter. Soweit sein Wille vom Rechte ignoriert wird,
ist er weder Subjekt aktiver Berechtigung noch Subjekt von
Verpflichtungen, dagegen gleich anderen Objekt staatlicher Ge-
walt und vor anderen Objekt staatlicher Fürsorge, auf die er