Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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unabhängig von ihnen existieren müsste, während sie als eine 
ihnen übertragene sich gründet auf den Willen andrer Trä- 
ger derselben und als eine bisher nicht existierende auf ihre eigne 
Tat. Die dritte Meinung übersieht, dass die Pflicht der Sub- 
jekte staatlicher Gewalt, sie zum Besten ihrer Objekte auszuüben, 
ihre Existenz voraussetzt und dass diese nicht abhängt von ihrer 
pflichtmässigen Ausübung. Wie ich einen verkehrten mein Leben 
mehr hemmenden als fördernden Willen haben kann, so kann 
der Staatswille einen den Bedürfnissen, um der willen der Staat 
besteht, mehr hinderlichen als förderlichen Inhalt haben. Er 
kann ihn aber nicht haben ohne Schaden und ohne Wider- 
spruch. 
Man bestreitet die Bedeutung der von Staatswegen mir zu- 
stehenden Berechtigung als eines mir gesicherten Gebietes freien 
Waltens meines Willens, weil es nicht sowohl um dieses als um 
die Befriedigung meiner Bedürfnisse zu tun sei. Man übersieht 
aber dabei, dass — von Ausnahmen abgesehen, wie sie nament- 
lich für Menschen bestehen, denen der Staat die Sorge für ihre 
Angelegenheiten nicht zutraut oder nicht gestattet — die Be- 
friedigung meiner Bedürfnisse meine Sache ist und daher aller- 
dings mein Recht ein Gebiet der Geltung meines Willens unab- 
hängig davon ist, ob dessen Inhalt meinem richtig verstandenen 
Bedürfnisse gemäss ist oder nicht. Was für mich gilt in meinen 
Angelegenheiten, das gilt in den Angelegenheiten des Staates für 
die bezüglich dieser nach dessen Verfassung zuständigen Men- 
schen. Wie mein Wille als ein meinen Bedürfnissen, so ist 
deren Wille als ein den durch sie wahrzunehmenden Staatsbe- 
dürfnissen nicht gemässer fehlerhaft, ohne dass seine Fehler- 
haftigkeit seine Geltung beeinträchtigen würde. Pflichtwidrig 
ist er nur, wenn er den von jenen Menschen wahrzunehmen- 
den Bedürfnissen als solchen zuwiderläuft, die sie erkannt haben 
oder durch ihre Schuld nicht erkannt haben; fehlerhaft ist er 
aber auch, wenn sie diese Bedürfnisse ohne ihre Schuld verkannt