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unabhängig von ihnen existieren müsste, während sie als eine
ihnen übertragene sich gründet auf den Willen andrer Trä-
ger derselben und als eine bisher nicht existierende auf ihre eigne
Tat. Die dritte Meinung übersieht, dass die Pflicht der Sub-
jekte staatlicher Gewalt, sie zum Besten ihrer Objekte auszuüben,
ihre Existenz voraussetzt und dass diese nicht abhängt von ihrer
pflichtmässigen Ausübung. Wie ich einen verkehrten mein Leben
mehr hemmenden als fördernden Willen haben kann, so kann
der Staatswille einen den Bedürfnissen, um der willen der Staat
besteht, mehr hinderlichen als förderlichen Inhalt haben. Er
kann ihn aber nicht haben ohne Schaden und ohne Wider-
spruch.
Man bestreitet die Bedeutung der von Staatswegen mir zu-
stehenden Berechtigung als eines mir gesicherten Gebietes freien
Waltens meines Willens, weil es nicht sowohl um dieses als um
die Befriedigung meiner Bedürfnisse zu tun sei. Man übersieht
aber dabei, dass — von Ausnahmen abgesehen, wie sie nament-
lich für Menschen bestehen, denen der Staat die Sorge für ihre
Angelegenheiten nicht zutraut oder nicht gestattet — die Be-
friedigung meiner Bedürfnisse meine Sache ist und daher aller-
dings mein Recht ein Gebiet der Geltung meines Willens unab-
hängig davon ist, ob dessen Inhalt meinem richtig verstandenen
Bedürfnisse gemäss ist oder nicht. Was für mich gilt in meinen
Angelegenheiten, das gilt in den Angelegenheiten des Staates für
die bezüglich dieser nach dessen Verfassung zuständigen Men-
schen. Wie mein Wille als ein meinen Bedürfnissen, so ist
deren Wille als ein den durch sie wahrzunehmenden Staatsbe-
dürfnissen nicht gemässer fehlerhaft, ohne dass seine Fehler-
haftigkeit seine Geltung beeinträchtigen würde. Pflichtwidrig
ist er nur, wenn er den von jenen Menschen wahrzunehmen-
den Bedürfnissen als solchen zuwiderläuft, die sie erkannt haben
oder durch ihre Schuld nicht erkannt haben; fehlerhaft ist er
aber auch, wenn sie diese Bedürfnisse ohne ihre Schuld verkannt