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tion nicht beigesellt ist. Er sagt a. a. ©. S. 171: „In der Tat
sind nicht alle, sondern nur die allermeisten Normen mit spezi-
fisch-rechtlichen Sanktionen ausgestattet“*?”. Um nun das Prinzip,
keine Norm ohne Sanktion, zu retten, stellt HoLp v. FERNECK
a. a. O. S. 164ff. neben die gesetzliche Sanktion noch den Be-
griff der rein ethischen und rein tatsächlichen Sanktion auf. Die
rein ethische Sanktion sieht er in der inneren, durch das sitt-
liche Bewusstsein, die Achtung vor der Rechtsautorität, die Furcht
vor dem missbilligenden Urteile der Mitmenschen bewirkten Ab-
haltung von der Uebertretung. Eine rein tatsächliche Sanktion
erblickt HoLp v. FERNECK in der Reyolution und dem Aufstande
als Folgen der Normenübertretung höchster Organe. Es scheint
mir aber, dass diese Ausdehnung des Sanktionsbegrifies nicht
nur gegen die herkömmliche Auffassung verstosse, sondern auch,
weil ganz verschiedenes umfassend, unzulässig sei. Man wird
daran festhalten müssen, dass unter Sanktion nur die gesetzliche
Androhung zu verstehen ist. Die Frage ist einzig die, ob dem
rechtlichen Befehle an sich, abgesehen von einer gesetzlichen
Sanktion eine determinierende Wirkung zukomme. Wäre dies
zu verneinen, so wäre der Befehl aus dem Rechte wegzuweisen
und einzig der Drohung darin Platz einzuräumen. Ich möchte
aber die Frage bejahen.
Dem Befehle kommt, wenn er von einer höheren, achtungs-
gebietenden Autorität, wie der Gesetzgeber es ist, ausgeht, eine
beeinflussende Wirkung an sich zu: er schafft für den zum
Widerstreben geneigten Adressaten ein Motiv zur Befolgung,
auch ohne eine Drohung. Der Befehl löst beim Adressaten
ethische Momente aus, die auf Befolgung hinstreben. Nicht das
? Vgl. auch THon a. a. O. S. 11; BIERLING, Juristische Prinzipien-
lehre I. S. 52; MERKEL, Juristische Encyklopädie $ 57: „Einer einzelnen
Norm.. ist um deswillen nicht der Charakter der Rechtsvorschrift ab-
zustreiten, weil ihr etwa die Sanktion fehlt. U. a. fehlt wichtigsten Be-
stimmungen unseres Verfassungsrechts jegliche Sanktion.“