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Es ist klar, dass der Gesetzgeber, wenn es ihm ernstlich um
Begründung einer Genossenpflicht zu tun ist, auch zugleich ein
Uebel für die Uebertretung bestimmt, nicht weil es in allen,
wohl aber in den meisten Fällen nötig ist. Häufig sind Sank-
tionen allgemeiner Natur schon in Bereitschaft.
Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, ob auch die Er-
laubnis Bestandteil des Gesetzes se. Die Ansicht, dass das
Gesetz erlaubende Rechtssätze als wesentliche Bestandteile ent-
halte, ist die hergebrachte und herrschende. Die Norm ist zu-
gleich verpflichtender und berechtigender Rechtssatz.
Die Erlaubnis kann nur dann wesentlicher Bestandteil der
Norm sein, wenn ihr vom Gesetze eine beeinflussende Bedeutung
zugedacht ist und wenn sie die Funktion, in den empirischen
Verlauf einzugreifen, auch auszuüben vermag. Vermöchte sie
dies nicht, so bedeutete sie einen rein indifferenten Bestandteil,
etwas Belangloses, ein rechtliches Adiaphorum.
Nun gläube ich aber, dass der Erlaubnis eine beeinflussende
Funktion zugedacht ist und dass sie auch eine determinierende
Wirkung auszuüben vermag. Erlauben bedeutet nicht bloss Ne-
gation des Verbotenseins, sondern umfasst auch das Moment des
Einladens und Aufmunterns. Der Wille des Gesetz-
gebers ist nicht nur ein befehlender, sondern auch ein einla-
dender. ° Er will nicht bloss sagen, was verboten und was in-
folge dessen nicht verboten ist, sondern er trachtet auch dar-
nach, dass ein bestimmtes, nicht verbotenes Verhalten einge-
schlagen werde. Er befiehlt allerdings dieses Verhalten nicht,
sondern überlässt es dem Adressaten, sich so zu verhalten oder
nicht. Er drückt aber doch den Wunsch aus, dass dieses Ver-
halten eintrete und sucht durch die Einladung ein Motiv zu
einem Tun oder Lassen zu schaffen, einen Einfluss auf den
Willen des Adressaten auszuüben. Und diese Einladung löst
das Gefühl aus, dass, abgesehen von der Befriedigung einer eige-
nen Neigung, der Wunsch einer höheren Autorität vorliegt.