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mässig mit Sanktionen begleiten, da die psychische Wirkung des
Befehles an sich zu unsicher wäre. Unter Sanktion verstehe ich
die im Gesetze enthaltene, die rechtliche Sanktion.
Die Sanktion ist selbst wieder Rechtssatz und enthält als
solche die beiden Bestandteile des Befehles und der Erlaubnis.
Wie sich der primäre Rechtssatz an einen Berechtigten und Ver-
pflichteten wendet, so wendet sich auch die Sanktion an einen
Berechtigten und Verpflichteten. THon a. a. O. S. 7 macht dar-
auf aufmerksam, dass eine gewisse Geneigtheit bestehe, die Rechts-
folgen der Normwidrigkeit nicht auch zu den Normen zu zählen,
sondern sie begrifflich von diesen zu scheiden. Demgegenüber
betont dieser Schriftsteller mit Recht, dass auch die Sanktionen
Normen sind. Der Verpflichtete ist hier das Staatsorgan, das
einschreiten soll, der Berechtigte ist der in seinen rechtlichen
Interessen Verletzte. Aus dem Nebeneinanderbestehen der zwei
Rechtssätze, des primären und des sekundären, ergibt sich für den
nach dem ersten Rechtssatze Verpflichteten eine Drohung. Der
Gesetzgeber wendet sich für den Fall der Nichtbeobachtung des
ersten Befehles mit einem neuen Befehle an die Staatsorgane’.
Die Drohung ist, wenigstens formell, nicht selbständiger Be-
standteil weder des primären Rechtssatzes, noch der Sanktion,
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® Es wird da und dort die Lehre vertreten, dass die Rechtssätze sich
nur an die Organe wenden; vgl. neuestens M. E. MAYER, Rechtsnormen
und Kulturnormen. Die Gründe, die dieser Schriftsteller anführt, sind die,
dass das Volk die Gesetze nicht kenne, nicht kennen könne und solle. Die
Intention des Gesetzgebers geht aber doch dahin, Befehle und Erlaubnisse
an die Genossen direkt zu richten. Freilich wird es dem einzelnen, auch
dem Juristen nicht möglich sein, alle diese Befehle und Erlaubnisse zu
kennen. Der Gesetzgeber setzt aber voraus, dass sich jeder einzelne er-
kundigen könne und, soweit es seine Stellung und seinen Beruf betrifit,
auch erkundige. So wird der Kaufmann sich im Handels- und Wechsel-
recht umsehen oder beraten lassen müssen. Der Landwirt wird sich Kennt-
nisse über den Verkehr mit Liegenschaften, ländliche Dienstbarkeiten, Vieh-
währschaft, Gesinderecht u. s. w. zu verschaffen haben. Vgl. auch GER-
LAND, Kritische Vierteljahresschrift Bd. 46 S. 417 ft.