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Die Normen mit Drohungen erschöpfen sich mit letzteren. Ihr
Gebiet endet mit dieser Willensäusserung. Die Ernstlichkeit
der Drohung kann durch keine Beteuerungen mehr zur Ueber-
zeugung gebracht werden. Hier hört das Wort auf und es be-
ginnt das Gebiet der Tatsachen. Die Gewissheit oder Wahr-
scheinlichkeit der Drohungsausführung ergibt sich aus der Beob-
achtung und Würdigung tatsächlicher Verhältnisse. Letztere
bestehen darin, dass Staatsorgane, bestimmt zur Durchführung
des Sanktionsbefehles da sind, dass diese Stgatsorgane gewillt
sind, ihre Aufgaben zu erfüllen und dass die Masse der übrigen
Genossen mit ihrer Uebermacht nicht hindernd eingreift. Durch
den Umstand, dass die Drohungen ernst zu nehmen sind, wer-
den die Normen zu einwirkungsfähigen Normen. Es ist zwar
anzunehmen, dass den primären Normen von einer Grosszahl
der Adressaten Folge geleistet würde, auch wenn Drohungen
nicht beständen. Wenn die Gesetze vernünftig sind, d. h. der
historischen Entwickelung, den Kulturverhältnissen und dem
Gerechtigkeitsbegriffe entsprechen, so finden sie bei dem ver-
nünftig denkenden einzelnen Anklang und Eindruck. Wo aber
der Gesetzgeber Drohungen für Uebertretungen nötig findet, ist
es praktisch schwierig festzustellen, welcher Prozentsatz der Be-
folgungen einerseits der vernünftigen Einsicht und andererseits
der Furcht vor der Drohung zuzuschreiben sei. Man wird des-
halb grundsätzlich die Einwirkungsfähigkeit der mit Sanktionen
begleiteten Normen dem Momente der ernstlich zu nehmenden
Drohung zuschreiben.
Die Einwirkungsfähigkeit der mit einer Drohung begleiteten
Norm zeigt sich darin, dass letztere zu determinieren vermag.
Die Einwirkungsfähigkeit bewährt sich dann als Wirksamkeit,
als Geltung. In der Befolgung liegt die Geltung der Norm,
nicht darin, dass die in der Sanktion enthaltene Drohung durch-
geführt wird. Die Durchführung der Drohung beweist im Ge-
genteile, dass die primäre Norm in casu nicht wirksam geworden,