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die völkerrechtliche Verpflichtung nur von denjenigen Organen
eingegangen werden kann, die die Fähigkeit haben, für die Durch-
führung des Vertrages im Innern zu sorgen; vgl. meine Grund-
züge des Allg. Staatsrechts 8. 76ff. Wo es sich um Verträge
handelt, die im Innern durch blosse Verwaltungsvorschriften
durchgeführt werden können, ist Willensorgan bloss die Regierung.
Wo aber die Durchführung des Vertrages gesetzgeberischer An-
ordnungen oder Bewilligung von Mitteln auf dem Budgetwege
bedarf, muss als Willensorgan des Staates der gesetzgebende
Körper mit auftreten. Die völkerrechtliche Verpflichtung muss
den Staat in seinem Kerne, in seinem Selbst, in seinem selbst-
hestimmenden Momente treffen. Bei der Frage, welches Organ
den Staat zu verpflichten vermöge, sieht das Völkerrecht aller-
dings auf die innere Verfassung des Staates, allein nur in der
Weise, dass ihm das Staatsrecht das Material für die Prüfung
liefert. Das Staatsrecht bezeichnet die Organe, deren Anord-
nungen für die Durchführung des Vertrages im Innern bestim-
mend sind; das Völkerrecht bezeichnet diese Organe als Willens-
organe, als legitimiert. Es ist unerheblich, was das Staatsrecht
formell über die Legitimation sagt, es kommt nur darauf an, was
es sachlich über die Durchführung völkerrechtlicher Verpflich-
tungen bestimmt. Das Völkerrecht untersucht selbst, welche Or-
gane bei der in Frage kommenden Verpflichtung von letzterer
mitbetroffen werden müssen, damit die Durchführung als ge-
sichert erscheint. Vertragsbruch kann nur dann vorliegen, wenn
Organe, die beim Vertrage mitgewirkt haben, es ablehnen, den-
selben durchzuführen. Eine Vorschrift des Staatsrechts, dass das
Staatsoberhaupt zur Eingehung völkerrechtlicher Verpflichtungen
zwar legitimiert sei, dass aber das Parlament durch dieses Vor-
gehen in keiner Weise staatsrechtlich dahin verpflichtet werde,
zur Durchführung Hand zu bieten, kann für das Völkerrecht
nicht Anlass bieten, das Staatsoberhaupt als das richtige Willens-
organ zu betrachten. Wenn allerdings die in Nordamerika herr-
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