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schaffen nur Rechtsverhältnisse zwischen und nicht Recht über
den Staaten. Auch Gewohnheiten bewirken kein Völkerrecht.
Wohl aber haben die Gewohnheiten ihre Bedeutung. Sie geben
einen Anhaltspunkt zur Feststellung des Parteiwillens, jeder Staat
darf vernünftigerweise erwarten, dass das Uebliche geschehe.
Es wird namentlich von TRIEPEL a. a. O. S. 63 ff. auszu-
führen versucht, dass Völkerrecht zwar nicht durch Staatsver-
träge, wohl aber durch sog. Vereinbarungen entstehen könne.
Die Vereinbarung soll sich einerseits vom Gesetze, anderseits
vom Vertrage unterscheiden. Gesetz ist Erklärung eines
Machtinhabers, die infolge der Machtstellung des Erklärenden
einseitige Wirkungen gegenüber den Gewaltunterworfenen hat;
aus dem Gesetze entstehen Normen, Befehle und Erlaubnisse.
Vertrag ist Verständigung im gleichen Range stehender Persön-
lichkeiten über gegenseitige Interessen; er begründet keine Nor-
men, sondern nur Rechtsverhältnisse; Rechte und Pflichten lässt
er nur deshalb entstehen, weil Normen vorhanden sind, die den
Vertrag mit dieser Wirkung ausstatten. Die Vereinbarung hätte
nun nach Biınping, Die Gründung des norddeutschen Bundes
S. 69 u. 70, mit dem Beschlusse eines gesetzgebenden Kollegiums
gemein, dass eine Verschmelzung inhaltlich gleicher Willen statt-
findet; mit dem Vertrage hätte sie gemein, dass nicht, wie beim
Beschlusse, nur bestimmte Personen, d. h. die Kollegiumsmit-
glieder berufen sind, sondern Freiheit der Mitwirkung besteht.
Ich glaube aber, dass es nur zwei Arten von Willensakten gibt,
die Rechte und Pflichten zu begründen vermögen, Gesetz und Ver-
trag (bezw. Rechtsgeschäft), Gesetz unmittelbar, Vertrag mittel-
bar. Der Begriff der Vereinbarung ist im Begriffe des Kolle-
giumsbeschlusses enthalten und hat ausser diesem keine beson-
dere Existenz. Wenn mehrere Personen sich nach Willkür zu-
sammenfinden und inhaltlich gleiche Willenserklärwigen abgeben,
die sich nicht an Dritte, sondern an sich selbst richten, so kann
man nicht von einem durch die Rechtsordnung mit Rechtswir-