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anzunehmen oder aber alle diese Pflichten gegen die wahren In-
teresseträger sich richten zu lassen. Es leuchtet ein, dass die ers-
tere Alternative nicht haltbar ist.
Nun ist aber darauf aufmerksam zu machen, dass das, was
Bmpme Recht auf Gehorsam oder Botmässigkeit nennt, über-
haupt nicht Correlat der durch die Norm begründeten Pflicht
sein kann. Die Pflicht zum Gehorsam oder zur Botmässigkeit
ist eine allgemeine, abstrakte Pflicht, die der Gesetzgebung logischer-
weise voraufgehen muss und einer Urnorm, einem ursprünglichen
sittlichen Gebote entspricht. Sie ist die Pflicht, die durch die
(Gesetzgebung auferlegten Pflichten zu erfüllen. Sie ist, wie na-
mentlich HEGEL ausführt, eine ethische Pflicht. Sie ist abstrakte
Pflicht zur Erfüllung einer konkreten Pflicht. Die durch die
Strafnorm begründete Pflicht ist nicht Pflicht, zu gehorchen, son-
dern Pflicht, ein bestimmtes Delikt zu unterlassen. Diese kon-
krete Pflicht richtet sich eben gegen diejenigen, deren Interessen
durch Unterlassung des Deliktes geschont und gewahrt werden
sollen, also gegen bestimmte Interessenträger.
Bei der Frage nach dem Interessenträger bei den Strafnormen
denkt man zunächst an den durch das Delikt Bedrohten. So
bemerkt HoLp v. FERNECK a. a. O.S. 143: „jeder einzelne Mensch,
zu dem ein zur Verletzung der Interessen Disponierter in Be-
ziehung tritt, hat ein subjektives Recht darauf, dass ihn der an-
dere nicht morde, nicht beraube“. HoLp v. FERMECK lässt
also ein subjektives Recht nur für denjenigen entstehen, der in
seiner eigenen Person Gefahr läuft, durch das Delikt betroffen
zu werden. Der einzelne habe das subjektive Recht, dass er
selber nicht gemordet, bestohlen etc. werde. Wo eine Gefähr-
dung der eigenen Person nicht eintrete, wie bei Gotteslästerung,
der Sodomie, dem Inzeste könne deshalb auch kein Recht des
einzelnen entstehen. HoLD v. FERNECK will damit erklären „weil
solche Normen im Grunde nur Anleihen aus dem Gebiete der
Religion nnd der Moral seien“. Diese Erklärung befriedigt