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bestehenden Normen gebunden. Sind nun die bestehenden Nor-
men etwa bloss Verwaltungsnormen? Sind es nur Normen der
Zuständigkeit, welche im Verordnungswege erlassen und geändert
werden können, oder sind es Rechtsnormen, die im Wege der
Gesetzgebung ergangen sind und nur auf diesem Wege geändert
werden können? Der Unterschied ist bedeutsam genug, um
Klarstellung zu verdienen. Im ersten Falle herrscht für Lehrer
zum Unterschied von anderen öffentlichen Dienern noch die
Maxime des Polizeistaates, wonach der Diener aus disziplinären
Gründen nach Willkür des Dienstherrn und ohne richterliches
Verfahren entlassen werden kann, im anderen Falle aber wird
auch den Lehrern die Maxime des Rechtsstaates zu Teil und
kann ihre disziplinäre Entlassung nur aus rechtlichen Gründen
und nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen.
Die Praxis der Verwaltung nun übt das Disziplinarrecht
an Lehrern nach jener Maxime und hält sich dabei nur an die
bestehenden verordnungsmässigen Normen der Zuständigkeit ge-
bunden. Diese Praxis kann aber nach genauer Prüfung als
den Forderungen der Verfassung entsprechend nicht anerkannt
werden.
Unser Recht stellt folgende Sätze auf. Die 9. Verfassungs-
beilage bestimmt in $ 10:
„Ein Staatsbeamter und öffentlicher Diener kann auch
wegen Verletzung der Amtspflicht durch Handlungen und Unter-
lassungen vermittelst rechtlichen Erkenntnisses entlassen werden,
welche einzeln mit dieser Strafe vom Gesetze nicht bedroht
sind, wenn nach Inhalt des Strafgesetzbuches eine dreimalige
Disziplinarstrafe fruchtlos geblieben ist.“
Das herangezogene Strafgesetzbuch ist dasjenige von 1813,
welches bis zum Erlass des b. Strafgesetzbuchs vom 10. Nov. 1861
in Geltung stand. Man beachte sogleich, dass in diesem 5 10
von Staatsbeamten und öffentlichen Dienern die Rede ist.
Des Weiteren ist sodann in den folgenden $$ 11 bis 15 des
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. 3. al