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die Entschliessung sich offenbar die formelle Macht bei, über
die „teilweise Anwendung des Ediktes“, nämlich über das
Disziplinarrecht zu verfügen und wird nur „aus entgegen-
stehenden wichtigen Bedenken“ davon abgesehen.
Was soll das heissen? Es kann offenbar nur heissen, dass der
König sich das Recht beilegt, im Verordnungswege darüber zu
befinden, ob die Lehrer den Rechtsschutz eines Disziplinarrechts
geniessen sollen oder nicht. Welches die wichtigen Bedenken
sind, welche davon abhalten, den Lehrern diesen Rechtsschutz
zu gewähren, darüber verlautet nichts, sicherlich aber sind die
Bedenken nicht rechtlicher, sondern politischer Natur. Recht-
lich ist nun diese staatsrechtliche Auffassung nicht einwandfrei.
Das Disziplinarrecht des Ediktes findet auf Lehrer entweder
Anwendung oder nicht Anwendung, ein Drittes gibt es nicht.
‘Findet es Anwendung, dann vermag kein Bedenken so wichtig
zu sein, um diese Anwendung hemmen zu dürfen, findet es keine
Anwendung, dann bedarf es keiner Bedenken, um sie auszu-
schliessen. Ob es aber Anwendung finde oder nicht, das ist
eine reine Rechtsfrage. Die vermutlichen Bedenken, die hinter
der kgl. Entschliessung obwalteten, können wohl nur zweierlei
sein, entweder befürchtete man eine Lockerung der Lehrerdisziplin,
wenn man ihnen ein Disziplinarrecht einräumte, oder man be-
fürchtete Einwände seitens der kirchlichen Behörden, die sich
etwa in ihrem tatsächlich erstrebten oder geübten Einfluss auf
den Dienst der Lehrer verkürzt glauben möchten, wenn den Lehrern
von Staatswegen ein Disziplinarrecht eingeräumt würde. Mögen
nun im Jahre 1819 diese politischen Bedenken gewesen sein, welche
sie wollen; wir beschränken uns auf die rechtliche Würdigung
der Frage. SEYDEL (bayer. Staatsrecht 2. Auflage Bd. 2 8. 277 f.)
hat aus dem Zusammenhang der Redeweise des $ 10: „Staats-
beamten und öffentlichen Dienern*“ mit den einschlägigen Be-
stimmungen des Strafgesetzbuchs von 1813 ganz mit Recht deu
Schluss gezogen, dass die disziplinarrechtlichen Vorschriften der