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Karl Pribram, Geschichte der österreichischen Gewerbepolitik von 1740
bis 1860, I. Band, 1740—1798, Leipzig, Duncker & Humblot, 1907,
XIX und 614 Seiten.
Der vorliegende erste Band behandelt die Geschichte der öÖsterreichi-
schen Gewerbepolitik vom Jahre 1740 bis zum Jahre 1798, also die Zeit
der Theresianischen und der Josephinischen Reformen und die Zeit der Re-
stauration unter Kaiser Leopold II. Es ist eine wirtschafts- und ver-
waltungsgeschichtliche Darstellung in grossen Zügen, die der Verfasser bietet.
Stets knüpft der Verfasser an die allgemeinen Grundsätze der staatlichen
Tätigkeit an, um zu den Einwirkungen auf das gewerbliche Leben hinüber-
zuleiten. Die Anregungen zu einer Besserung der Verwaltungstätigkeit auf
gewerblichem Gebiet gehen von bedeutenden Geistern der vortheresianischen
Zeit aus; unter ihnen ragte Hörnigk hervor, der sein berühmtes Werk
„Oesterreich über Alles“ mit den resignierten Worten schloss: „Cantantur
haec, clamantur haec, — Dicuntur, audiuntur, — Scribuntur haec, legun-
tur haec — Et lecta negliguntur‘. Erst unter der Kaiserin Maria Theresia
besserte sich der Zustand der Unempfindlichkeit der staatlichen Machthaber
gegenüber den Anregungen der Wissenschaft. Von dieser bedeutenden
Monarchin wurden wirksame Impulse zur Verbesserung der verwaltungs-
rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Gewerbe gegeben. Die
Aktion ging Hand in Hand mit der Festigung des Gesamtstaates, die ja im
Wesen erst unter Maria Theresia begann. Die verschiedenen Länderstellen»
die sich bisher keineswegs als Organe des Gesamtstaates fühlten, mussten
ihrer Kompetenzen beraubt werden; die Kaiserin richtete Zentralbehörden
ein und stellte ihnen für die gewerblichen Angelegenheiten, das „Kommerz-
wesen“, Spezialbehörden an die Seite, die von den alten Länderstellen un-
abhängig waren. So gelang es, die damals die Wirtschaftspolitik beherr-
schenden merkantilistischen Grundsätze auch in der praktischen Verwaltung
der österreichischen Länder zum Durchbruche zu bringen. Der Unterschied
der Kommerzialgewerbe, die auf Absatz ausserhalb ihres Standortes bedacht
sind (Fabriken Grosshandelsunternehmungen und dgl.) von den Polizeige-
werben, die für den Ortsbedarf arbeiten, war für die Verwaltungsmassregeln
bestimmend, die die Kaiserin zum Zwecke der Gewerbebeförderung traf.
Kaiser Josef trat auch hier, ebenso wie auf vielen andern Gebieten staat-
lichen Lebens, durchaus selbständig und energisch als Reformator auf; er
verliess die zu einem System ausgebildeten Grundsätze der Merkantilisten
und folgte mehr den Ideen der Physiokraten, die im Zusammenhange mit
den Anhängern des Naturrechtes eine Befreiung des inneren Verkehres von
allen ihn fesselnden Zwangsvorschriften erstrebten und auf diese Art Handel
und Wandel am besten zu fördern hofften. Die autoritative Beherrschung
der industriellen Entwieklung hörte trotz der Fortsetzung der straffen Zen-
tralisierung des gesamten Verwaltungsapparates auf; vielmehr wurden die
Hemmnisse beseitigt, die die Verwaltungen der einzelnen Länder und die
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. 3. 32