Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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statuiert, weshalb in der Unterlassung der wiederholten Vorlage keine 
Gesetzesverletzung liege. Das Initiativrecht des Parlamentes gewähre einen 
genügenden Schutz gegen eine übermässige zeitliche Ausdehnung der pro- 
visorischen Gesetze. 
So richtig nun der Gedanke sein dürfte, dass die Regierung nur zur einmali- 
gen Vorlage verpflichtet ist und dass das parlamentarische Initiativrecht die 
Lücke ausfüllt, die durch die Unterlassung einer wiederholten Vorlage ge- 
schaffen wird, so schwer ist es mit dem Wortlaut des $ 14 zu vereinbaren, dass 
zur Ausserkraftsetzung der Verordnungen ein übereinstimmender Ableh- 
nungsbeschluss beider Häuser des Reichsrates erforderlich sein soll. Denn 
nach diesem Wortlaut erlischt die Gesetzeskraft der Verordnungen schon 
dann, wenn sie die Genehmigung eines der beiden Häuser nicht erhalten. 
Der Verfasser will also eine entschiedene Machtverminderung jedes der 
beiden Häuser eintreten lassen. Während aber die Machtverminderung des 
Abgeordnetenhauses sich zur Not durch die Erwägung rechtfertigen lässt, 
dass dieses Haus oder doch sein Rechtsvorgänger seine verfassungsmässigen 
Pflichten verletzt hat, indem es die ihm vorgelegten Verordnungen gar 
nicht in Verhandlung nahm, ist schlechterdings nicht einzusehen, warum 
deshalb das ganz unschuldige Herrnhaus eine Schmälerung seiner Rechte 
erleiden soll. Es dürfte daher die Ansicht die richtige sein, dass kraft des 
vom Verfasser mit Recht in den Vordergrund gerückten Initiativrechtes 
auch jetzt noch jedes der beiden Häuser für sich allein die Ausserkraft- 
setzung der fraglichen Verordnungen erwirken kann. 
E. Radnitzky. 
Emanuel Hugo Vogel, Die Fürsorge für die Volkswohnungen auf dem Ge- 
biete der Steuer- und Verwaltungsgesetzgebung in Oesterreich. Eine 
wirtschaftspolitische Studie zur Schaffung eines Volkswohnungsge- 
setzes. Wien 1908 S. 108. 
Wohl selten hat sich ein legislativer Akt als ein solcher Schlag ins 
Wasser erwiesen, wie das österreichische Gesetz vom 8. Juli 1902, mit dem 
der Versuch gemacht wurde, das Privatkapital im Wege der Steuerbegün- 
stigung zur Herstellung von Gebäuden mit Arbeiterwohnungen heranzu- 
ziehen. So wurden z. B. im Jahre 1905 in ganz Oesterreich nur 50 solche 
Gebäude nach den Bestimmungen dieses Gesetzes errichtet, was von der 
Gesamtzahl der Neu- und Umbauten dieses Jahres (31643) nur den ver- 
schwindenden Bruchteil von 0,16 Prozent darstellt. Und zwar wurden diese 
wenigen Arbeiterwohnbauten in der überwiegenden Mehrzahl von Arbeit- 
gebern für ihre Arbeiter, dann von Kollektivunternehmungen, vereinzelt 
von Stiftungen aufgeführt, während eine Beteiligung des sonstigen Privat- 
kapitals so gut wie gar nicht vorgekommen ist. (S. 51 und 52.) Ange- 
sichts dieses Resultates berührt es geradezu tragikomisch, wenn wir lesen, 
dass einer der Urheber des Gesetzes seinerzeit von der „plötzlichen Ent-
	        
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