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völkerung ganzer Stadtteile“ sprach, die bei einer etwas radikaleren Fas-
sung des Gesetzes zu besorgen wäre (8.31). Die Gründe für diese Zurück-
haltung des Privatkapitals liegen auf der Hand. Welcher Kapitalist wird
Lust haben, sich zwischen eine stets an der Grenze der Zahlungsunfähig-
keit stehende Mieterschaft, bei der das gesetzliche Pfandrecht an den ein-
gebrachten Fahrnissen nahezu illusorisch ist, und die bei der Handhabung
dieses Gesetzes mit seinen zahlreichen und minutiösen Detailbestimmungen
zu Chicanen noch mehr als sonst disponierten Steuer-, Bau- und Gewerbe-
behörden in die Mitte zu stellen, wenn ihm nicht eine über die gewährte
Steuerbegünstigung weit hinausgehende Gewinnstprämie in Aussicht gestellt
ist? Einzig und allein die Arbeitgeber finden bei einer solchen Baufüh-
rung ihre Rechnung, da sie — abgesehen von ihrem natürlichen Interesse
an einer leidlich zufriedenstellenden Unterkunft ihrer Arbeiter — sich durch
den Abzug der Miete vom Lohne stets bezahlt machen hönnen und über-
dies in der Kündigung des Mietverhältnisses eine der stärksten Waffen im
Lohnkampfe gewinnen.
Der Verfasser tritt nun dafür ein, einerseits von der Heranziehung des
privaten, auf Spekulationsgewinn ausgehenden Kapitals völlig Umgang zu
nehmen, andererseits die Wohnungsfürsorge auf eine breitere Basis zu
stellen und einen ganzen Komplex von Gesetzen zu schaffen, der dieser
Aufgabe zu dienen hätte. Es soll insbesondere geschaffen werden: ein Woh-
nungsgesundheitsgesetz in Verbindung mit einem Wohnungsinspektionsge-
setz, ein Rahmengesetz betreffend die Grundbestimmungen der Bauordnung,
sowie der baulichen Anlage und Regulierung von Städten, ein Enteignungs-
gesetz, ein Rahmengesetz betreffend die Form und den notwendigen Inhalt
von Bestandverträgen und die Exekutionsführung auf Grund derselben, end-
lich ein Gesetz, betreffend die Förderung des Baues und der Bereitstellung
von Volkswohnungen seitens gemeinnütziger Unternehmungen und seitens
der Arbeitgeber durch Steuer- und Gebührenbegünstigungen in Verbindung
mit einem Gesetze, betreffend die Organision der Kreditgewährung für ge-
meinnützige Zwecke.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die österreichische Gesetzgebung in
der Frage der Wohnungsfürsorge noch nicht ihr letztes Wort gesprochen
hat, und es wäre zu wünschen, dass die wohldurchdachten Ausführungen
des Verfassers gegebenen Falles bei den kompetenten Faktoren Beachtung
finden.
E. Radnitzky.
L. Raggi. La Teoria della Sovranitä. Contributo storico e ricostrut-
tico alla dogmatica del diritto pubblico. Genova 1908. S. VI und 302.
Souveränetät ist im Sinne des Verfassers die dem Staate zustehende
höchste Macht, einen eigenen Willen zu eigenen Zwecken zu äussern, ver-
eint mit der Fähigkeit, zur Durchsetzung seines Willens Zwang zu üben.