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schweizerisches Landesrecht und bildet keine Vertragspflicht. Es wäre aber
zu wünschen, dass, wie im Prisenrecht, diese Justizförmigkeit zum Völker-
rechtssatz erhoben würde. Alsdann würde an die Stelle vager und elasti-
scher Formeln, wie sie heute im Fremdenrecht herrschen und wie sie auch
im schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrag noch in mehreren Be-
ziehungen bestehen, auf Grund einer Judikatur ein System scharfer Rechts-
begriffe sich ausbilden. Gewiss gibt es im Fremdenrecht Gebiete, so vor
allem die sog. politische Fremdenpolizei, in denen alles in das Ermessen
politischer Behörden gelegt werden muss, und auch einer internationalen
Schiedsinstanz nie eine Nachprüfung eingeräumt werden kann.
Max Huber.
Adler, Dr. Arthur, Die Spionage. Eine völkerrechtliche Studie. Heft 4
der Arbeiten aus dem juristisch-staatswissenschaftlichen Seminar
von Schücking. Marburg 1905.
Verf. stellt in seiner Abhandlung — meines Wissens als erster — neben
den allgemein bekannten Tatbestand der Spionage im Kriege noch einen
von ihm als Friedensspionage bezeichneten Rechtsbegrift, der seiner Ansicht
nach „zahlreiche für das Völkerrecht wertvolle Tatbestände“ aufweist.
Hiermit ist für ihn die Einteilung seiner Darstellung gegeben, die als ersten
Hauptteil die Kriegsspionage, als zweiten die Friedensspionage umfasst.
Voran geht als Einleitung ein geschichtlicher Ueberblick über die Quellen
des Spionagerechtes, den Schluss bildet ein Kapitel über die Spionage als
Tatbestand eines bürgerlichen oder militärischen Verbrechens (Landes- und
Kriegsverrat),. Die geltende Zivil- und Militärstrafgesetzgebung scheidet
Verf. im allgemeinen aus seiner Darstellung aus; er motiviert das in seinen
Vorwort damit, dass es eines Hinweises hierauf „nur in einzelnen Fällen‘
bedurft hätte, da sich die Darstellung „ausschliesslich auf die völkerrecht-
liche Spionage“ beschränke.
In der Einleitung laufen dem Verf. zunächst einige Ungenauigkeiten
unter. Er spricht von vier „grossen Kodifikationen“ als Quellen des Spio-
nagerechtes, als deren Vorläufer er die LIEBER’'schen Amerikanischen Kriegs-
artikel von 1863 bezeichnet (8. 1). Dagegen ist zunächst einzuwenden, dass
man unter „Kodifikationen® im Allgemeinen Werke der Gesetzgebung, oder
— wie hier — internationaler Verträge versteht, dass mithin als „Kodifi-
kation“ im technischen Sinne hier zunächst nur die Haager Kriegsrechts-
konvention von 1899 hingehört. Aber auch, wenn man dem Begriffe den
ihm vom Verf. anscheinend untergelegten weiteren Sinn gibt, stimmt die
Sache nicht. Will Verf. die Lieberschen Kriegsartikel nicht zu den grossen
Kodifikationen rechnen, so bleiben nur noch drei grössere Arbeiten dieser Art:
die Brüsseler Deklaration von 1874, das Manuel von Oxford von 1880 und
die Haager Landkriegskonvention von 1899). In jedem Falle sind die An-
! Die Abhandlung ist im Jahre 1906 erschienen.