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Die Behandlung des ergriffenen Spions soll nach Ansicht des Verf. nicht
als Strafe aufzufassen sein, sondern als Akt der Notwehr im Interesse der
Selbsterhaltung (S. 52). Die Anschauung, Jie an sich mit der Ansicht des
Verf. über die Spionage in Einklang steht, ist nicht neu; sie wird bereits
von Gareis — dessen Erwähnung unter den zitierten Schriftstellern an
dieser Stelle ich umsomehr vermisse, als er m. W. bisher der einzige Ver-
treter dieses Gedankens geblieben ist — in seinen Institutionen des V.R.
(2. Aufl. 1901) S. 235 vertreten. Nicht ersichtlich ist übrigens, was Verf.
mit der hier eingeschalteten Darstellung des Kriegsgefangenenrechtes be-
zweckt; überhaupt liessen sich gegen die Gliederung des ganzen ersten
Teiles auch sonst noch Einwendungen erheben.
Im zweiten Teile, der von der „Friedensspionage“ nach modernem
Völkerrechte handelt, spricht Verf. nacheinander von Folgendem: Begriff
und Wesen der F., erlaubte offizielle (sic!), amtliche und ausseramtliche
Spionage exterritorialer Personen im Auslande, rechtliche Natur der F. ohne
staatliche Autorisation, Mittel der F. vom Standpunkte des Völkerrechtes,
völkerrechtliche Bedeutung der modernen Spionagegesetzgebung für den
Frieden, F. gegen Angehörige des eigenen Staates und das Völkerrecht.
Das ist denn doch eine etwas reichlich krause Zusammenstellung! Zunächst
widerspricht Verf., der vorher (S. 32) behauptet hatte, die Friedensspionage ge-
höre „nur scheinbar“ dem Völkerrechte an, sich mit der späteren Fest-
stellung (S. 63), dass auch die Friedensspionage „ihre völkerrechtliche Be-
deutung“ habe, und vollends unklar wird sein Standpunkt, wenn er dann
wieder (S. 84) ausführt, dass sich infolge des Erlasses von Strafbestimmungen
über den Vorrat militärischer Geheimnisse „im wesentlichen übereinstim-
mende Landesgesetze“ gebildet hätten, dass diesen jedoch nicht „die Be-
deutung allgemein gültiger Völkerrechtssätze beigelegt werden“ könne,
„da der wahre Ursprung der zum Völkerrechtssatze gewordenen Vorschrift
in der Gewohnheit, in der Uebung liegt, welche durch die Wiederholung
der nämlichen Bestimmungen in der „Parallelgesetzgebung der Staaten‘
(Stoerk) bestätigt wird.“ Weniger klar kann man wirklich kaum sein.
Gehört nun die Friedensspionage dem Völkerrechte an oder nicht? Darauf
bleibt Verf., uns die Antwort gänzlich schuldig. In der Tat wird sie nur
nach jeder Richtung hin negativ ausfallen können; Spionage, wie sie das
Völkerrecht kennt, hat den Kriegszustand und seine Folgen zur unerläss-
lichen Voraussetzung; alles andere ist lediglich Sache des einzelstaatlichen
Staats- und Strafrechtes. „Erlaubte“ Spionage ist ausserdem eine con-
tradictio in adjecto; für den Staat, gegen den sie gerichtet ist, ist Spionage
niemals erlaubt und kann es nicht sein.
Ganz schlimm wird freilich die Sache, wenn Verf. (S. 87) am Schlusse
dieses Abschnittes noch sich zu folgender Behauptung versteigt:: „Alseine Ab-
spaltung (!) der internationalen Spionage ist auch die Tätigkeit der Staats-
regierungen auf Grund der Anarchistenkonferenz zu Rom anzusehen, welche