Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

— 5350 ° — 
der Individuation beharrenden gleichen menschlichen Beschaffen- 
heit, er realisiert die Summe der aus dieser Wurzel stammen- 
den, den Postulaten der Individuation entgegen wirkenden Antriebe. 
Staat und Recht sind daher schon als die Verwirklichungsform 
der zweifachen in denselben Subjekten nebeneinander bestehen- 
den Grundantriebe und insofern als unmittelbarer Ausdruck der 
elementaren menschlichen Beschaffenheit, in weiterer Folge aber 
speziell auch wegen des nach dieser Auffassung sowohl der Rechts- 
wie der Staatsidee naturgemäss inhärierenden Verwirklichungs- 
postulates, einander ergänzende, durchaus korrelate Begriffe: 
kein Recht ohne den seine Verwirklichung, das ist den Rechts- 
schutz verbürgenden Staat, kein Staat ohne das den geordneten 
Zusammenhang der staatlich vereinten Individualexistenzen herstel- 
lende Recht“. 
Die Art und Weise, wie sich ein Volk zu diesen beiden 
Grundprinzipien verhält, wie es sie in der staatlichen Organisa- 
tion zur Geltung bringt, bedingt nach LEMAYER den Grund- 
charakter dieser Organisation. So kommt er zu der heteroge- 
nen Auffassung der antiken, hauptsächlich römischen, der mittel- 
alterlichen, insbesondere germanischen, und endlich der modernen 
neuzeitlichen Staatsorganisation. Im Altertum herrscht das Prin- 
zip der Gesamtheit, Vielheit, unbedingt. Ihm fehlt „die An- 
erkennung der Individuation als eines mit der Gesamtheit gleich- 
berechtigten Selbstzweckes in der Ordnung des Daseins“?. Der 
germanische Staat des Mittelalters beruht im strikten Gegen- 
satz zum antiken auf der vollen Entfaltung des Individuations- 
prinzipes. Er entspricht dem germanischen Individualismus und 
fand, wie LEMAYER bemerkt, „seine tiefste Begründung in der 
christlichen Lehre, welcher jeder Träger menschlicher Gestalt als 
2 Dieser Auffassung widerspricht bekanntlich JELLINEK, indem er das 
individualistische Prinzip im antiken Staate als von der Staatsgewalt voll- 
ständig unberührt, wenn auch ohne rechtlichen Charakter, gelten lässt. 
(Recht des modernen Staates, S. 264.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.