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Ebenbild Gottes und der göttlichen Verheissungen teilhaftig Selbst-
zweck war“.
Erst im modernen Staate gelang es — nach LEMAYER — die
einander widersprechenden Pole jeder staatlichen Organisation in
ein harmonisches Verhältnis zu einander zu bringen, wobei beide
— Individuation und Gesamtheitsprinzip — auf ihre Rechnung
kamen.
Mag nun die hier flüchtig skizzierte Auffassung LEMAYERS
historisch mehr oder weniger anfechtbar sein, sicher ist, dass die er-
wähnten zwei Grundprinzipe einer jeden Rechtsbildung bestimmend
auf deren systematische Verarbeitung in der Jurisprudenz wirkten.
Anfangs machten es sich die Rechtsgelehrten einfach. Man sagte ein-
fach: „Publicum ius est, quod ad statum rei romanae spectat; priva-
tum, quod ad singulorum utilitatem“ und damit war die Sache ebenso
kurz wie unklar abgetan. Da es im antiken römischen Staate ein
Staatsrecht oder öffentliches Recht nur im objektiven Sinne
gab, konnte sich die eben erwähnte Distinktion nur auf das
ungefährliche Gebiet des objektiven Rechts, der Rechtssatzungen,
beziehen. Mit dem ius privatum traf man das Recht, welches
dazu bestimmt ist, das Prinzip der Individuation zur Geltung
zu bringen, mit dem ius publicum glaubte man das Recht zu
treffen, das sich aus dem staatlichen Koexistenzverhältnisse der
einzelnen Individuen ergiht.e. Nun gab es aber, wie schon er-
wähnt, nur bei der ersteren Art ein von dem objektiven Recht,
der Rechtsnorm, sich scharf abhebendes Recht des Individuums.
Im mittelalterlichen Staate konnte trotz seiner prinzipiellen
Verschiedenheit vom antiken das Problem des Dualismus noch
immer nicht aktuell werden, d. h. aus der Sphäre des objektiven
Rechts in die des subjektiven übertragen werden. Im antiken
Staate ignorierte der Staat das Individuum, im mittelalterlichen
das Individuum den Staat, so dass es bei aller Verschiedenheit
der beiden Staatstypen immer nur zu demselben Resultat kam:
rechtliche Beziehungen im strengsten Sinne des Wortes gab es nur
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