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publici bezeichnen, man bezeichnet aber dann einen Vorgang, der
das gerade (segenteil eines rechtlichen im modernen Sinne des
Wortes ist, mit dem möglichst unpassendsten Ausdruck. Wenn
trotzdem die juristischen Autoren jener Zeiten für all’ diese Vor-
gänge, die sich unserem Gefühle nach ausserhalb der eigentlichen
Rechtssphäre abspielten, die Bezeichnung ius publicum oder di-
vinum für angebracht hielten, so ist dies leicht erklärlich, wenn
man bedenkt, dass das brutal auftretende Unrecht, die rohe Ge-
walt zeitlebens im Gewande des Rechtes zu erscheinen sich be-
mühte. Man ging unbewusst von dem erst viel später klar for-
mulierten Satz aus, das Recht sei nichts als organisierte Macht,
Da es zu einem gegenseitig sich durchdringenden, gleichbe-
berechtigten Auftreten der beiden erwähnten (Grundprinzipe im
positiven Recht weder im antiken noch im mittelalterlichen Staate
gekommen war, konnte das methodologisch so wichtige Problem
des Dualismus im Recht als einer konsequenten Folgeerscheinung
der erwähnten Doppelstellung des Individuums (als solchen und
als Glied der Gesamtheit) im Rechtssysteme dieser Staaten nie
aktuell werden. Und in der Tat ist das Recht der Römer und
Germanen in diesem Sinne streng einheitlich. Das, was man
gemeinhin als „römisches Staatsrecht“ bezeichnet, ist weit davon
entfernt, dasselbe zu bedeuten, wie etwa das „öffentliche“ Recht
(Verfassungs- und Verwaltungsrecht) eines modernen Staates.
Dort handelt es sich um eine Summe von Organisationsnormen,
eine Art interner Geschäftsordnung, hier um eine fast unüber-
sehbare Zahl von Rechtssätzen, welche die rechtlichen Be-
ziehungen zwischen Staat und Individuum regeln und eine uner-
3 Dass eine derartige Definition des Rechts nichts als den strikten Bank-
rott desselben bedeute, darüber sind sich derzeit die Theoretiker mit wenigen
Ausnahmen klar. Für die wenigen Ausnahmen ist aber dann folgerichtig
jede staatliche Organisation nichts anderes als ein bunter Haufen sich
gegenseitig nach einem bestimmten System bekämpfender und vernichten-
der Individuen, den sie bestenfalls soziologisch zu erklären suchen.