Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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schöpfliche Quelle von subjektivrechtlichen Relationen zwischen 
Individuum und Gesamtheit schaffen. In diesem Stadium erst 
beginnt das Problem des Dualismus im höchsten Grade aktuell 
zu werden. Die theoretische Jurisprudenz sah sich damit einer 
neuen Aufgabe gegenüber: dem übernommenen einheitlichen 
Rechtssysteme des Altertums und Mittelalters jene neu hinzuge- 
kommenen Rechtsverhältnisse einzufügen. Wie sie dieser Auf- 
gabe gerecht wurde, ist bekannt. 
Vor allem musste die antike und mittelalterliche Staatsidee 
einer wissenschaftlichen Revision unterworfen werden. Der 
omnipotente antike und impotente mittelalterliche Staat, die beide 
in Bezug auf die untergebenen Individuen jenseits des subjekti- 
ven Rechts standen, begannen ihre Stellung in der Rechtswissen- 
schaft zu ändern, indem der erstere in die Rechtssphäre her- 
abstieg, der letztere in dieselbe heraufgehoben wurde. Damit 
entstand die Idee des Rechtsstaates. Der Gedanke aber, dass 
jenes metajuristische Gebilde, der Staat, ganz ohne weiteres als 
ein gewöhnliches Rechtssubjekt wie jedes andere in rechtliche 
Relationen mit seinen Untertanen zu treten hätte, war dem Ge- 
dankenkreise jener Denker, die zuerst instinktiv, durch den Ver- 
lauf grosser politischer Ereignisse gezwungen, das schwierige 
Problem zu behandeln anfingen, so fremd und ungeheuer, dass 
es sicher nicht als Zufall zu bezeichnen ist, wenn die neue Pe- 
riode der Rechtswissenschaft mit der Theorie des ius naturale, 
einer Abart des schon früher gekannten ius divinum, anhub. 
Das Individuum hatte danach nicht aus sich selbst gewisse 
subjektive, vornehmlich als unveräusserlich bezeichnete Rechte 
gegen den Staat, der Staat nicht ebensolche Verpflichtungen 
gegen das Individuum als solches, sondern man konstruierte 
für diese rechtlichen Beziehungen vorerst eine metajuristische 
Wurzel in dem ius naturale, in der Natur, deren Gebote als 
ausserhalb und über den geschriebenen Gesetzen stehend be- 
trachtet wurden. Auf einem ähnlichen. Gedankengange beruht
	        
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