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Wissenschaft weiter auszubauen trachten. Jeder Einsichtige
weiss jedoch, dass die Jurisprudenz dieser Einmütigkeit heute
mehr denn je entfernt ist.
Angesichts dieses gewiss erstaunlichen Umstandes drängt
sich die prinzipielle Frage von selbst auf: Was soll dieser
ewige Kampf der Meinungen und verschiedenartigen Konstruk-
tionen? Haben wir begründetermassen Hoffnung auf eine zu-
künftige endgültige Lösung der prinzipiellen Fragen un-
serer Wissenschaft? Steht voraussichtlich zu erwarten, dass
sich eines Tages die gesamte, weitverzweigte juristische Gelehrten-
welt in einem Lager zusammenfinde, wie etwa die Astronomen
in der Frage der Kugelgestalt der Erde? Können wir — um
einige konkrete Beispiele anzuführen — die erfreuliche Hoffnung
hegen, dass unserer Wissenschaft einst ein so genialer Jurist
erstehen wird, der mit einem Schlage die Fragen nach der juri-
stischen Wesenheit des Staates, des Rechtes, der Souveränität,
des Unterschiedes zwischen öffentlichem und privatem Rechte u. s.w.
in einer so widerspruchslosen Art beantworten wird, dass den
gegenteiligen Ansichten nichts übrig bleiben wird, als ihren
Widerstand für immer aufzugeben? Wenn man die wissen-
schaftliche Methode unserer Schriftsteller genauer prüft, so
kann kein Zweifel sein, dass die hier aufgeworfenen Fragen
unbedingt zu bejahen sind. Man schlage das Buch irgend
eines juristischen Schriftstellers, der sein Scherflein zur Klärung
irgend einer prinzipiellen Frage beizutragen sucht, auf und man
wird nach der von ihm beobachteten Methode schliessen müssen,
dass er von dieser beseeligenden Hoffnung unbedingt erfüllt ist.
Ja, in den meisten Fällen wird man, die nötige Dosis naiver
Kritiklosigkeit vorausgesetzt, die von dem betreffenden Autor
gebotene Lösung für eine definitive ansehen!
Leider ist es noch keinem juristischen Schriftsteller ge-
lungen, seine Fachgenossen von der Wahrheit seiner Meinung
auf eine ähnliche Weise zu überzeugen, wie etwa Pythagoras