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logischen Exkurs vorausgeschick, um meine Stellung zum
Dogma des Dualismus im Rechte wenigstens einigermassen an-
nehmbar zu machen. Sind nämlich die obigen Aus-
führungen richtig, so kann darüber kein
Zweifel bestehen, dass die Anerkennung dieses
Dogmas eine reine Zweckmässigkeitsfrage
der Methodik ist!
Denn auch der Begriff des subjektiven Rechts ist, wie man
ihn auch fassen mag, keineswegs von aussen her gegeben, sondern
beruht auf freier Konstruktion der Rechtsgelehrten. Und keine
von den beiden derzeit gebräuchlichen Konstruktionsarten —
die eine legt ausschliesslich Gewicht auf das Willensmoment
(UngER), die andere kombiniert das Willensmoment mit dem
Zweckmoment (IHERING) — bietet eine genügende Handhabe zu
einer weiteren Unterscheidung in öffentliche und private sub-
jektive Rechte'!?,
Man musste daher das Unterscheidungsmerkmal anderwärts
als in der Definition des subjektiven Rechts selbst suchen.
Da die Zweiteilung des subjektiven Rechts fast von allen
ıı Es handelt sich hier und im weiteren, wie schon einigemale bemerkt
wurde, um den Dualismus subjektiver Rechte. Nur so gewinnt das
Problem einschneidende Wirkung für die Jurisprudenz. Denn die Zwei-
teilung objektivrechtlicher Normen oder etwa eine ganz allge-
meine Paroemie wie es die von ULPIAN gegeben ist, bleibt für die grosse
Frage der Systematik ziemlich unbedeutend.
12 Dem Recht als „rechtlich geschützter Willensmacht* steht hier die
Definition des Rechts als eines „rechtlich geschützten Interesses“ (IHERING)
oder eines „menschlichen Interesses“ (BERNATZIK) entgegen. Von diesen
klaren, den Kern der Sache gut treffenden Konstruktionen stechen andere,
anspruchsvollere unangenehm ab; so z. B. die HEILINGERs („Recht und
Macht“): „Subjektives Recht ist der den einzelnen oder juristischen Per-
sonen zukommiende Anteil an der Macht der leitenden Kreise der Gesell-
schaft und an den Gütern, die durch die Gesellschaft bezw. durch ihre
leitenden Kreise geschützt werden. Recht ist daher gesellschaftliche Macht“.
Oder gar die HERZFELDERs („Gewalt und Recht‘): Das Wesen der Gewalt
ist Macht, das des subjektiven Rechts ist Ohnmacht.