Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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methodologische Berechtigung; vollends unberechtigt erscheint 
sie mir aber gegenüber einem Staate, dessen Machtbereich 
man sich schlimmstenfalls durch eine mehrstündige Bahnfahrt 
auf immer entziehen kann. (Vorausgesetzt allerdings, dass man 
kein gemeiner Verbrecher ist; aber auch ein diebischer Kassier 
entzieht sich durch den Austritt aus dem Verein dessen „Macht- 
bereich“ nicht: er wird als gewesener Kassier belangt, ab- 
gestraft und eingesperrt)’. 
Die Gewalttheorie verkennt die so zutreffende JELLINEKsche 
Idee von der „Selbstbindung“ des Staates gegenüber seinen 
15 Als Schulbeispiel ist hier die OÖ. MAayeErsche Konstruktion des öffent- 
lichen Vertrages anzuführen („Zur Lehre vom öÖffentlichrechtlichen Ver- 
trage*, Arch. f. öff. Recht, 1888). Mayer sagt: „Die Rechte und Pflichten 
des entsprechenden zivilrechtlichen Vertrages werde mit obrigkeit- 
licher Macht gehandhabt durch die Behörde, welche die eine Vertrags- 
partei vertritt, teilweise unter den schätzenden Formen der Rechtspflege, 
teilweise nicht“. Und weiter: „Man darf hier (sc. beim öffentlichrecht!. 
Dienstvertrage) nicht von einem Gewaltverhältnis sprechen, welches über- 
dies Öffentlichrechtlich behandelt wurde, sondern das Oeffentlichrechtliche 
ist es eben, was das Dienstverhältnis zu einem Gewaltverhältnis macht“ 
(S. 57). Es ist ziemlich schwer, die Zweckmässigkeit dieser Theorie ein- 
zusehen. Mir wenigstens erscheint es unzweckmässig, den feststehenden 
Begriff des „Rechtsverhältnisses“ derart zu gestalten, dass seine hervor- 
ragendste Eigenschaft, die darin besteht, dass es eben das kontradiktori- 
sche Gegenteil eines Gewalt- oder Machtverhältnisses ist, verwischt wird. 
Denn solange beide Kontrahenten streng auf dem Boden des Rechts stehen, 
bleibt der Begriff des „Gewaltverhältnisses“ ziemlich unklar. Was heisst 
es, wenn ich mit „obrigkeitlicher Macht“ die Rechte und Pflichten meines 
Kontrahenten „handhabe‘“, falls ich gleichzeitig berechtigt bin, sie zu 
handhaben ? Ich kann da doch nur das verlangen, wozu ich berechtigt 
bin und wozu mein Kontrahent verpflichtet ist, was ja so ziemlich 
bei jedem Vertrage der Fall ist. Ganz ebenso wie der Rechts staat seinen 
Angestellten gegenüber, „handhabt“ jeder Haushaltungsvorstand seinen 
Dienstboten gegenüber ihre Rechte und Pflichten. — Ich erinnere hier au 
die schöne LABAnpsche Charakteristik des Rechtsstaates, wonach dieser 
von seinen Untergebenen nichts verlangt, ihnen nichts befiehlt oder ver- 
bietet, es sei denn auf Grund eines Rechtssatzes. Verlangen, befehlen und ver- 
bieten auf Grund eines Rechtssatzes kann aber gegebenenfalls auch der Pri- 
vatmann.
	        
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