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jener Richtung gedächte, die in dieser Beziehung auf dem
Standpunkt absoluter Negation verharrt. Nicht als ob etwa
diese Richtung öffentlich-rechtliche subjektive Rechte den pri-
vaten gleichsetzen würde; sie behauptet vielmehr geradezu die
begriffliche Unmöglichkeit der ersteren. Als zwei besonders
hervorstechende Vertreter wären hier BORNHAK und GUMPLOWICZ
zu nennen. Dererstere setzt Staat = Herrschen und bleibt damit
in der uralten patrimonialen Staatsidee stecken, für den letzteren
ist der Staat rechtlich überhaupt nicht zu begreifen, sondern
lediglich soziologisch. (Insofern beide trotzdem Professoren des
Staatsrechtes sind, könnte man sie mit Theologieprofessoren
vergleichen, die den Atheismus predigen.) Obwohl uns hier
ihre Lehren nicht weiters interessieren, so ist ihr tatsächliches
Vorhandensein trotzdem von ungemein symptomatischer Be-
deutung für die Art und Weise, wie unsere juristische Staats-
wissenschaft betrieben wird. Wäre nämlich der metho-
dologische Standpunkt, den die Rechtswissenschaft heutzutage
allgemein einnimmt, richtig, dann müsste man sowohl BORNHAK
als GumpLowIcz (und alle übrigen, einen ähnlichen Standpunkt
einnehmenden Theoretiker, die sich mit ihrer Ansicht dem Gros
der Gelehrten gegenüber in verschwindend kleiner Minorität be-
finden) für geisteskrank erklären, ähnlich wie etwa einen Mathe-
matikprofessor, der die Richtigkeit des pythagoräischen Lehr-
satzes nicht zugeben wollte. Da dies sicherlich nicht angeht,
so bleibt nur übrig, sich darüber klar zu werden, dass es sich
bei juristischen Begriffskonstruktionen — soweit sich diese aus-
serhalb der lex lata bewegen und grundlegende Begriffe zum
Gegenstande haben — nicht um ihre absolute Wahrheit und
Richtigkeit, sondern im Grunde nur um Zweckmässigkeitsfragen
terminologischer Natur handelt. Dass diese Zweckmässigkeits-
fragen, über die jede wissenschaftliche Polemik nach Art des
naturwissenschaftlichen Hypothesenstreites, wie bereits bemerkt,
unmöglich und überflüssig ist, trotzdem von weitgehendster Be-