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deutung für die Systematik der Rechtswissenschaft sind, braucht
keines weiteren Beweises.
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Im Vorhergehenden wurde bereits eine der vielen Unzweck-
mässigkeiten antizipiert, die der Dualismus im Recht für die ge-
samte Rechtssystematik mit sich bringt. Es ist dies die prinzipielle
Entfremdung zweier Materien, die inhaltlich innig miteinander
zusammenhängen. ÖOeffentliches und privates Recht werden voll-
ständig getrennt gepflegt: der Publizist kümmert sich nicht um
den Zivilisten, der Zivilist kehrt sich nicht an den Publizisten.
Dieser Zustand wird vollends noch als eine besondere Er-
rungenschaft der modernen Staatsrechtswissenschaft gepriesen.
In Wahrheit reisst durch ihn eine gewisse saloppe Art der Be-
handlung juristischer Grenzfragen d. i. solcher, die das öffent-
liche und private Recht gleichmässig berühren, ein: Der Publi-
zist fühlt sich des strengen logischen Apparates zivilistischer
Jurisprudenz enthoben, wenn er über solche Fragen — was in
der Regel ohnehin nur gelegentlich und nebenbei geschieht — zu
sprechen hat. So schreibt, um ein konkretes Beispiel anzu-
führen, der Publizist ULBRICH ruhig einen Satz nieder, den
der Zivilist ULBRICH sicher unmöglich akzeptieren könnte. Er
sagt in seinem „Oesterreichischen Verwaltungsrecht“
(1904) bei Besprechung der öffentlich-rechtlichen Verbände, die
er allgemein in Fürsorgeverbände und Berufsgenossenschaften
teilt, von diesen letzteren: Hier ist also Träger der Korporations-
rechte weniger (!) die Gesamtheit der Berufsangehörigen als
diese ständige Vertretung“ (S. 144). Mit der ständigen Ver-
tretung meint der Autor die verschiedenen „Kammern“ wie
die Handels- und Gewerbe-, Aerzte-, Advokaten-, Notaren- und
ähnliche Kammern, d. h. also die Gesamtheit der in die Ver-
tretung von den Berufsangehörigen gewählten Personen. Wenn
nun der zitierte Satz auch für den eingeschworenen Publizisten
ziemlich schwer zu begreifen ist, bleibt er vollends ein Mysterium