Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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zu sein glaubt. — Nicht so einfach hat es allerdings der prak- 
tische Jurist als Richter oder Verwaltungsbeamter. Sehr oft 
kommt nämlich die Tatsache vor, dass ein öffentlich-rechtliches 
Gemeinwesen jemandem einen Betrag schuldig ist oder einen 
solchen von jemanden einzufordern hat. Es entsteht nun die 
peinliche Frage, ob dieses Wesen neben seiner öffentlich-recht- 
lichen Subjektivität auch eine zivilrechtliche hat d.h. eine solide 
juristische Person im Sinne der römisch-rechtlichen corporatio 
ist. Denn davon hängt es bekanntlich in erster Linie ab, 
wer eigentlich als Schuldner bezw. Gläubiger anzusehen ist. 
Hier lässt nun die dualistische Theorie und in den meisten 
Fällen auch der Gesetzgeber den Praktiker gänzlich im Stich. 
Mit der Erkenntnis, dass irgend eine Kammer ein öÖffentlich- 
rechtlicher Verband ist, ist ihm wenig geholfen, er fragt vielmehr, 
ob sie eine juristische Person im Sinne des bürgerlichen Ge- 
setzbuches ist. Die Antwort darauf wird ihm durch den Um- 
stand ungemein erschwert, weil er von der Theorie belehrt wird, 
dass es Verbände mit nur privatrechtlicher oder nur öffentlich- 
rechtlicher Rechtssubjektivität, Verbände mit beiden Arten von 
Rechtssubjektivität, und endlich Verbände ohne jegliche Rechts- 
subjektivität geben kann '!®, 
Im allgemeinen ist man mit der Erteilung der öffentlich- 
rechtlichen Persönlichkeit in der Theorie sowie in der Praxis 
viel freigebiger als mit der privat-rechtlichen. Die Praxis tut 
es vornehmlich aus Zweckmässigkeitsgründen. Hier kommen als 
„Verleihungsbehörden“ in erster Linie die Gerichtshöfe des 
öffentlichen Rechts in Betracht. Wenn eine Körperschaft, deren 
18 Das bürgerl. Gasetzbuch f. d. D. R. hat bekanntlich in $ 89 die Kate- 
gorie der Öffentlichrechtlichen Körperschaften, Stiftungen und Anstalten 
offiziell eingeführt, unterlässt es aber leider diesen Begriff a contr. dem 
privatrechtlichen näher zu definieren. Dagegen kennt das österreichische 
allg. bürgerl. Gesetzbuch, welches zu einer Zeit entstand, in der man sich 
noch nicht so eingehend mit öffentlichrechtlichen Gemeinwesen beschäftigte; 
diesen Begriff’ nicht.
	        
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