Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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privatrechtliche Rechtssubjektivität de lege lata mehr als in 
Frage gestellt erscheint, irgend eine öffentlich-rechtliche Ver- 
pflichtung eingeht oder ein öffentliches Recht erlangen will, so 
wird ihr, um gegebenenfalls einem zweifellos dringenden, prak- 
tischen Bedürfnis nachzukommen, zunächst nur eine öffentlich- 
rechtliche Subjektivität zugesprochen, damit womöglich jedes Prä- 
Judiz, welches aus der Zuerkennung der Eigenschaft als privat- 
rechtliche juristische Person sofort entstehen müsste, vermieden 
werde. Auf diese Weise hat z. B. der österreichische Ver- 
waltungsgerichtshof, so unglaulich es erscheinen mag, der harm- 
losesten societas des Privatrechts, der offenen Handelsgesell- 
schaft, öffentlich-rechtliche Persönlichkeit verliehen !?! 
  
1 Es sei hier der Fall, der besonders lehrreich ist, näher ausgeführt. 
Es handelte sich um die Frage, ob eine offene Handelsgesellschaft als solche 
ein Gewerbe betreiben kann, d. h. also Träger eines zweifellos „öffent- 
lichen“ Gewerberechtes sein kann. Nach $ 3 der österr. Gewerbeordnung 
können nun auch juristische Personen unter gleichen Bedingungen wie die 
physischen Träger von Gewerberechten werden. Da nun von juristischen 
Personen gewerbliche „Befähigungsnachweise“, die sonst in Oesterreich bei 
Antritt eines handwerksmässigen Gewerbes erbracht werden müssen, nicht 
verlangt werden können, so war es für Personen, die den Befähigungsnach- 
weis nicht erbringen konnten, ziemlich naheliegend, sich zu einer offenen 
Handelsgesellschaft zu vereinigen, diese für eine juristische Person auszu- 
geben und auf diese Weise den lästigen Schranken des Befähigungsnach- 
weises auf legale und bequeme Art (durch Anstellung eines Strohmannes 
mit Befähigungsnachweis als Stellvertreter der juristischen Person) zu unı- 
gehen. Nun ist es zwar einleuchtend, dass es für einen modernen Staat 
fast unmöglich ist, Handelsgesellschaften nur dann zum Gewerbebetriebe 
zuzulassen, wenn alle Gesellschafter den erforderlichen Befähigungsnach- 
weis erbringen können, ebenso einleuchtend ist es aber, dass eine offene 
Handelsgesellschaft nach österreichischem Recht keine juristische Person 
ist. De lege lata war es also tatsächlich unmöglich, dieselbe ohne die er- 
wähnte Bedingung zu einem an einen Befähigungsnachweis gebundenen 
Gewerbebetriebe zuzulassen. (Es sei bemerkt, dass durch die Novellierung 
der österreich. Gewerbeordnung vom Jahre 1907 diese bisherige Lücke — 
auf eine die Theorie allerdings nicht befriedigende Weise — bereits aus- 
gefüllt ist.) Eine von den Gewerbebehörden mit ihrer Gewerbeanmeldung 
abgewiesene offene Handelsgesellschaft berief nun zum Verwaltungsgerichts-
	        
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