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privatrechtliche Rechtssubjektivität de lege lata mehr als in
Frage gestellt erscheint, irgend eine öffentlich-rechtliche Ver-
pflichtung eingeht oder ein öffentliches Recht erlangen will, so
wird ihr, um gegebenenfalls einem zweifellos dringenden, prak-
tischen Bedürfnis nachzukommen, zunächst nur eine öffentlich-
rechtliche Subjektivität zugesprochen, damit womöglich jedes Prä-
Judiz, welches aus der Zuerkennung der Eigenschaft als privat-
rechtliche juristische Person sofort entstehen müsste, vermieden
werde. Auf diese Weise hat z. B. der österreichische Ver-
waltungsgerichtshof, so unglaulich es erscheinen mag, der harm-
losesten societas des Privatrechts, der offenen Handelsgesell-
schaft, öffentlich-rechtliche Persönlichkeit verliehen !?!
1 Es sei hier der Fall, der besonders lehrreich ist, näher ausgeführt.
Es handelte sich um die Frage, ob eine offene Handelsgesellschaft als solche
ein Gewerbe betreiben kann, d. h. also Träger eines zweifellos „öffent-
lichen“ Gewerberechtes sein kann. Nach $ 3 der österr. Gewerbeordnung
können nun auch juristische Personen unter gleichen Bedingungen wie die
physischen Träger von Gewerberechten werden. Da nun von juristischen
Personen gewerbliche „Befähigungsnachweise“, die sonst in Oesterreich bei
Antritt eines handwerksmässigen Gewerbes erbracht werden müssen, nicht
verlangt werden können, so war es für Personen, die den Befähigungsnach-
weis nicht erbringen konnten, ziemlich naheliegend, sich zu einer offenen
Handelsgesellschaft zu vereinigen, diese für eine juristische Person auszu-
geben und auf diese Weise den lästigen Schranken des Befähigungsnach-
weises auf legale und bequeme Art (durch Anstellung eines Strohmannes
mit Befähigungsnachweis als Stellvertreter der juristischen Person) zu unı-
gehen. Nun ist es zwar einleuchtend, dass es für einen modernen Staat
fast unmöglich ist, Handelsgesellschaften nur dann zum Gewerbebetriebe
zuzulassen, wenn alle Gesellschafter den erforderlichen Befähigungsnach-
weis erbringen können, ebenso einleuchtend ist es aber, dass eine offene
Handelsgesellschaft nach österreichischem Recht keine juristische Person
ist. De lege lata war es also tatsächlich unmöglich, dieselbe ohne die er-
wähnte Bedingung zu einem an einen Befähigungsnachweis gebundenen
Gewerbebetriebe zuzulassen. (Es sei bemerkt, dass durch die Novellierung
der österreich. Gewerbeordnung vom Jahre 1907 diese bisherige Lücke —
auf eine die Theorie allerdings nicht befriedigende Weise — bereits aus-
gefüllt ist.) Eine von den Gewerbebehörden mit ihrer Gewerbeanmeldung
abgewiesene offene Handelsgesellschaft berief nun zum Verwaltungsgerichts-