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deshalb nicht zu verwundern, dass sich die Theorie bei der
Gruppierung der Verhältnisse und Rechte in beide Haupt-
kategorien immer weniger Rat weis. Je mehr diese Ent-
wickelung fortgeschritten sein wird, desto mehr verliert deshalb
der Dualismus als grundlegendes methodologisches Prinzip der
Rechtswissenschaft an Zweckmässigkeit und daher an Berech-
tigung.
Ohne irgendwie auf das diesem Aufsatze fernliegende poli-
tische Gebiet abschweifen zu wollen, muss ich hier trotzdem
auf das Staatsideal des wissenschaftlichen Sozialismus hinweisen,
dem sich der moderne Sozialstaat wenigstens in einigen Punkten
immerhin gewaltig genähert hat. Man betrachte das sozialistische
Staatsideal etwa in der Form, in der es ANnTON MENGER in
seiner „Neuen Staatslehre* skizziert, und lege sich die
Frage vor, ob einem solchen Staate gegenüber das Prinzip des
Dualismus vom Standpunkte einer zweckmässigen juristischen
Methode noch aufrechterhalten werden kann. Alles ist hier
öffentlich-rechtlich oder, wenn man will, privatrechtlich. Ein
solcher Staat verlangt gebieterisch nach einem grossen, ein-
heitlichen Rechtssysteme.
Zweifellos sind wir noch — leider oder Gott sei Dank!
(der freundliche Leser wähle die seiner politischen Ueberzeugung
passende Alternative!) — weit von der rein sozialistischen
Staatsform entfernt, aber ich glaube, dass der moderne soziale
Rechtsstaat — vom methodologischen Standpunkt der Juris-
prudenz aus gesprochen — dem sozialistischen näher steht als
etwa dem Polizei- und Gewaltstaat früherer Zeiten. Auch
ihm gegenüber wird sich die Forderung nach einem grossen,
einheitlichen Rechtssystem immer nachdrücklicher erheben.
Der Autor dieses Aufsatzes ist sich der ungeheueren Grösse
der Aufgabe, die der theoretischen Jurisprudenz durch die
Forderung nach Schaffung eines grossen, einheitlichen, alles
Recht harmonisch umfassenden Rechtssystemes erwachsen würde,
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