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wohl bewusste. Nur eine fast unermessliche Fülle von kon-
struktivem Talent — womöglich noch grösser als das Genie der
römischen Juristen — könnte sie bewältigen. Auf keinen Fall
wird sie aber von einer Schule gelöst, die ihre ganze Kraft auf
historische Forschungen und „naturwissenschaftliche“ Unter-
suchungen imaginärer Objekte verwendet. Zur Schaffung eines
neuen, einheitlichen Rechtssystems werden nicht so sehr Histo-
riker und juristische Anatomen, als frei konstruierende Juristen
nach Art der Schöpfer des römischen Rechtssystems notwendig
sein. Diese Juristen müssten sich des himmelweiten Unter-
schiedes ihrer konstruktiven Methode von der beschreibenden
und forschenden der Naturwissenschaften bewusst werden. Ihre
konstruktive Methode müsste juristisch im wahren Sinne
des Wortes werden. Und nur durch die innige Verschmelzung
der sich zurzeit fremd gegenüberstehenden Schwesterdisziplinen
des privaten und öffentlichen Rechts wird es der letzteren mög-
lich sein, sich zu derselben Höhe juristischer Klarheit wie die
erstere emporzuarbeiten, die sie bisher auf selbständigem Wege
erfolglos zu erreichen bemüht war. Nur dadurch wird das er-
reicht werden, was GIERKE bereits im Jahre 1883 in seinem
Aufsatze über LAaBAnps Staatsrecht als die Hauptaufgabe juri-
stischer Methode bezeichnet hat: „dass sie vor allem auch das
öffentliche Recht aus dem es umballenden Nebelmeer in die
klare Luft der unverschleierten juristischen Begriffswelt empor-
zuheben bemüht ist.“