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ment gegen die Existenz eines antiken Völkerrechts ins Feld
führen darf, wie dies MARTENS tut (I 33). Die Griechen haben
die Notwendigkeit des Verkehrs mit stammverwandten und fremden
Völkern erkannt und mit beiden Verträge geschlossen. Aber
selbst wenn die griechischen Staaten nur mit einander inter-
nationalrechtliche Beziehungen gehabt hätten, wäre vom Stand-
punkt der herrschenden Begriffe das „griechische“ Völkerrecht
ebensowohl als wahres anzuerkennen, wie dies die herrschende
Richtung gegenüber dem späteren „europäischen“ Völkerrecht tut.
Ebenso wie die Griechen haben die Römer die Notwendig-
keit internationalrechtlicher Bestimmungen anerkannt. Sie haben
in zahlreichen Fällen amicitiae und societates geschlossen,
selbst auf dem Höhepunkt ihrer Macht, wie der Vertrag mit
Astypaläa beweist (Ant. V.R. S. 82 £.). Es freut mich, fest-
stellen zu können, dass MARTENS insofern gleicher Ansicht ist,
als er betont, die Römer hätten die „Unentbehrlichkeit“ eines
internationalen Handelsverkehrs für Rom „vollständig“ begriffen
und daher fremden „Kaufleuten Schutz ihrer Rechte innerhalb
und manche Hilfeleistung ausserhalb Roms“ zugesichert (I 60 £.).
Er hätte hinzufügen können, dass die Zusicherung auf dem
Wege des Staatsvertrages zu verschiedenen Malen erfolgt ist.
Gleich anderen Schriftstellern exemplifiziert MARTENS in
seiner Darstellung mit Vorliebe auf Griechen und Römer, wenn
er auch nicht soweit geht, wie einer seiner Vorgänger, der meinte,
dass die hervorragende Bedeutung und der typische Charakter
des internationalen Liebens dieser beiden Völker die Ergründung
der entsprechenden Verhältnisse der anderen Staaten unnötig
machten®. Ich selbst habe im einzelnen gezeigt, dass auch die
Aegypter, Babylonier, Assyrer, Israeliten und andere asiatische
Staaten nachweislich mit dem Auslande verkehrt und Verträge
6 R. WARD in seiner englischen Völkerrechtsgeschichte (vgl. Ant. VR,
S. 6) I 171.